Stuttgarts Polizei schwant nichts Gutes

Baden-Württemberg: Ab Januar gelten in der Landeshauptstadt Diesel-Fahrverbote - doch wer soll kontrollieren?

  • Bettina Grachtrup, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der Ankündigung von Fahrverboten für ältere Diesel-Autos von 2019 an in Baden-Württembergs Hauptstadt Stuttgart ist noch offen, wie die Einhaltung überwacht werden soll. Aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist die Stuttgarter Polizei personell gar nicht in der Lage, die Autos an den Einfallstraßen anzuhalten, um in den Fahrzeugscheinen die Euronorm zu überprüfen.

Die Polizei ist für die Kontrolle des laufenden Verkehrs zuständig - die Stadt Stuttgart für die der geparkten Fahrzeuge. Das Innenministerium und die Stadtverwaltung konnten zunächst nicht genau erklären, wie man die Einhaltung der Verbote organisieren will.

Die grün-schwarze Koalition unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich kürzlich unter dem Druck der Verwaltungsgerichte auf Fahrverbote für Diesel der Euronorm 4 und schlechter ab dem 1. Januar 2019 verständigt. Für Anwohner gibt es eine Übergangsfrist bis zum 1. April. Ob es ab 2020 auch Fahrverbote für jüngere Diesel der Euronorm 5 gibt, will die Koalition von der Wirkung eines Luftreinhaltepaketes abhängig machen.

DPolG-Landeschef Ralf Kusterer sagte, momentan gebe es keine Möglichkeit, den Fahrzeugen von außen ihre Euronorm anzusehen oder sie mit automatischen Kontrollsystemen bei der Einfahrt in die Stadt zu überprüfen. Auf den Einfallstraßen B27 und B14 gebe es schon heute jeden Tag Staus. »Wenn wir da überwachen würden, würde das ein Chaos in Stuttgart verursachen. Und der Schadstoffausstoß würde alles toppen, was man sich vorstellen kann«, meinte Kusterer.

Wenn der Gesetzgeber Fahrverbote für nötig halte, müsse er auch überlegen, wie er sie durchsetze, sagte der Gewerkschaftschef: »Drohe mit keinem Mittel, das du nicht durchsetzen kannst. Das ist ein alter Grundsatz für die Polizei. Der gilt auch für die Politik. Alles andere ist politisches Geplänkel.«

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, die Polizei werde sich die konkrete Ausgestaltung der Fahrverbote genau ansehen. »Danach richten sich dann die polizeilichen Kon-trollmaßnahmen.« Für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs, also der geparkten Autos, sei die Stadt zuständig. Eine Sprecherin der Stadt erklärte: »Wir sehen den Autos von außen nicht an, ob es sich um einen Diesel handelt und um welche Schadstoffklasse.« Der zuständige Beamte müsste bei einem Verdacht auf den Fahrer warten, um sich die Papiere zeigen zu lassen. »Die Kollegen haben aber nicht die Zeit, lange auszuharren, bis ein Fahrer zurück zu seinem Auto kommt«, gab die Sprecherin zu bedenken.

Kretschmann hatte bereits im Februar erklärt, dass das Land die Einhaltung von Fahrverboten in Eigenregie kaum durchsetzen könne. Polizisten müssten dann einzelne Fahrzeugscheine kontrollieren, um zu sehen, um was für Fahrzeuge es sich genau handele. »Dann gibt es halt Staus bis Heilbronn und Tübingen«, bemerkte er damals. Vor diesem Hintergrund hatte das Land darauf gepocht, dass der Bund eine blaue Plakette für Diesel-Autos einführt - vergeblich.

In Stuttgart sollen die Fahrverbote das gesamte Stadtgebiet betreffen. Die baden-württembergische Landeshauptstadt folgt mit dem Verbot Hamburg, wo seit Ende Mai Einschränkungen für Dieselwagen auf zwei Streckenabschnitten gelten. Dort überwacht die Polizei die Einhaltung.

Zunächst gab es bei den Kontrollen in Hamburg lediglich Verwarnungen und Informationen, wenn die Euro-Norm 6 nicht erfüllt und damit gegen das Durchfahrtverbot verstoßen wurde. »Seit dem 21. Juni wird gebührenpflichtig sanktioniert«, sagte ein Polizeisprecher. Sowohl in Hamburg als auch in Stuttgart geht es um die Senkung der hohen Stickoxidbelastungen in der Luft. dpa/nd

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