Kuba auf Reformkurs
Zwei Tage hat die Nationalversammlung, das kubanische Parlament, über den Entwurf für die neue Verfassung der Karibikinsel debattiert. Die Debatte war offen, es gab Kritik und Änderungswünsche. Und alle Kubaner konnten das sehen, wenn sie wollten, denn die Diskussionen wurden direkt und ungeschnitten vom Fernsehen übertragen. Am Sonntagnachmittag stimmte das Parlament dem Entwurf zu. Ohne Änderung. Alle 605 Abgeordneten sagten »Sí«.
Die Reformen, die die Verfassung von bisher 137 Artikeln auf 224 anschwellen lässt, sind von oben angestoßen worden. An der führenden Rolle der einzig zugelassenen Partei, der Kommunistischen Partei Kubas, wird sich nichts ändern. Von »Kommunismus« ist übrigens jetzt nicht mehr die Rede, nur von Sozialismus.
Verändert wird einiges, von der Struktur der Staatsführung nach dem Ende der Ära der Castro-Brüder über das streng geregelte Zulassen von Privateigentum und selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit bis zum Zulassen von gleichgeschlechtlichen Ehen.
Im April trat Raúl Castro mit 86 Jahren wie angekündigt zurück. Zu seinem Nachfolger wurde Miguel Díaz-Canel gewählt. Er ist der erste Kubaner auf einem Führungsposten, der erst nach der Revolution 1959 geboren wurde, am 20. April 1960.
Auf keinen Fall wird Miguel Díaz-Canel so lange auf dem Sessel des Staatsratsvorsitzenden und damit Präsidenten der Republik sitzen wie die Castros. Denn die neue Verfassung sieht für den Staatschef eine Amtszeit von fünf Jahren vor, die nur einmal verlängert werden darf. Und: Bei seiner Wahl darf ein künftiger Präsident, oder Präsidentin, nicht älter als 60 Jahre sein. Spätestens mit 70 geht es dann in die Rente.
Am lebhaftesten wurde über den Artikel 68 diskutiert. Der regelt die Anerkennung auch gleichgeschlechtlicher Ehen. Die herkömmliche Familie, mit Frau und Mann und Kindern, dürfe nicht vernachlässigt werden, forderte Mariela Espin und wurde von Yolanda Ferrer belehrt, dass Familie nicht nur Zusammenleben bedeute, sondern eine »soziale Einrichtung« sei und eine rechtliche dazu. Jedenfalls sei »sexuelle Vielfalt« ein Recht und kein Stigma. Auch der Artikel 68 wurde angenommen.
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