Tote bei Protesten in Südirak
Solarpark soll Abhilfe gegen Wasser- und Strommangel in Basra schaffen
Der irakische Übergangsregierungschef Haider al Abadi hatte auf Entspannung gehofft, doch die Hoffnung währte nur kurz: Seit Wochen gehen in Basra und Umgebung die Menschen inmitten einer extremen Hitzewelle auf die Straße, um gegen Stromausfälle und einen Mangel an sauberem Trinkwasser zu protestieren. Nach offiziellen Angaben wurden 14 Menschen getötet, als die Polizei auf Demonstranten schoss. Der Rote Halbmond beziffert die Zahl der Opfer auf mindestens 120.
Nun hat al Abadi den Energieminister Kassem al Fahdawi entlassen. Zudem gab al Abadi am Montag bekannt, er habe mit der saudischen Regierung den Bau eines Solarkraftwerks vereinbart. Die Elektrizität soll zudem mit 21 US-Dollar pro Megawattstunde nur ein Viertel dessen kosten, was die irakische Regierung bislang an Iran bezahlt hatte. Bisher wurde der Strom für die Region rund um die einzige Hafenstadt Iraks aus dem Nachbarland bezogen.
Trotz ausländischer Finanzhilfen, die seit Beginn der US-Invasion 2003 nach Angaben der Weltbank mehr als 100 Milliarden US-Dollar überschritten haben, wurde kaum in den Ausbau der Infrastruktur investiert. 80 Prozent des irakischen Staatshaushaltes werden in der ölreichen Region rund um Basra erwirtschaftet. Insgesamt waren über die Jahre hinweg umgerechnet 35 Milliarden Euro für den Ausbau des Stromnetzes vorgesehen, und wurden auch größtenteils ausgegeben. Nur für was, das ist ein Mysterium, dass derzeit Demonstranten und einheimische Medien gleichermaßen beschäftigt, und den Unmut weiter anheizt.
Zunächst hatte al Abadi vor einigen Wochen bekanntgegeben, die Regierung werde »drei Milliarden US-Dollar für Infrastrukturmaßnahmen bereit stellen«. Doch die Öffentlichkeit glaubt ihm weder dies, noch dass Saudi-Arabien wirklich in Windeseile ein Kraftwerk bauen wird, und das auch noch da, wo es gebraucht wird.
Dies wird nun auch zu einer Belastungsprobe für al Abadi: Derzeit werden auf Anordnung des Parlaments die Stimmen der Wahl im Mai neu ausgezählt - fest steht, dass es Unregelmäßigkeiten gab. Die Öffentlichkeit ist sich weitgehend einig, dass al Abadi mit allen Mitteln im Amt bleiben will. Einen Wunsch, den selbst in seiner »Siegesallianz«, die sich Ende 2017 von der »Rechtsstaatskoalition« des Ex-Ministerpräsidenten Nuri al Maliki abgespalten hatte, nicht viele teilen. Die Abadi-Partei blieb in den Wahlen hinter den eigenen Erwartungen zurück, während die Maliki-Partei mehr als zwei Drittel ihrer Mandate verlor. Stärkste Kraft wurde die Saairun-Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al Sadr, der sich nun auch hinter die Proteste in Basra gestellt hat. Im Lager von al Abadi hofft man indes, dass die Neuauszählung der Stimmen ein anderes Ergebnis bringen wird. Am Wochenende entließ al Abadi mehrere örtliche Wahlfunktionäre, und das stets in Gebieten, in denen Saairun besonders gut abgeschnitten hat.
Die Regierung gibt nun vor allem Iran die Schuld: Das Land unterstütze al Sadr und fache die Proteste in Basra an. Regierungssprecher fordern, Iran müsse die Stromlieferungen wieder aufnehmen, bis man eine Alternative gefunden hat. Doch die iranische Regierung erklärt, man wolle dafür in bar bezahlt werden, da aufgrund der US-Sanktionen unsicher sei, ob man auf Überweisungen wird zugreifen können. Die US-Regierung fordert, Irak müsse jede Form von Handel mit Iran einstellen.
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