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25.000 Beamte, keine Verurteilungen
2017 gab es kein einziges abgeschlossenes Verfahren gegen Berliner Polizeibeamte wegen Polizeigewalt
Berlin. Berliner Polizisten müssen sich fast nie für Fehlverhalten vor Gericht verantworten. Das Aktenverwaltungssystem der Berliner Justiz listet pro Jahr etwa 1000 Strafanzeigen gegen die 25.000 Berliner Polizeibediensteten auf. 2017 waren es 887 - die meisten davon wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Dienst. Das zeigen Zahlen der Polizeiverwaltung und des Berliner Senats für Justiz.
Doch diese Zahlen sind nach Senatsangaben nicht vollständig. Wie häufig es tatsächlich bei Berliner Polizeibeamten zu Fehlverhalten kommt, ist nicht klar, weil sowohl Fachkommissariate als auch örtliche Polizeidirektionen und das Landeskriminalamt Anzeigen sammeln und bearbeiten. Eine nd-Recherche zeigt: Eine zentrale Erfassung aller Anzeigen gegen Polizeibeamte gibt es nicht.
Man müsse »einmal überlegen, ob man das nicht ändern sollte« sagt Justizsprecher Sebastian Brux gegenüber »nd«. »Es ist mehr als bedauerlich, dass die statistische Erfassung nur lückenhaft erfolgt. Der Rechtsstaat sollte sich an dieser Stelle mehr Transparenz leisten«, meint der Kriminologe Tobias Singelnstein. Der Jurist und Professor an der Ruhr-Uni Bochum erforscht derzeit in einem Forschungsprojekt Körperverletzung im Amt durch Polizisten.
Nur in den wenigsten Fällen kommt es nach Anzeigen gegen Polizisten zu einem Verfahren vor Gericht. In den letzten Jahren ist die Zahl der abgeschlossenen Verfahren gegen Polizeibeamte vor Berliner Gerichten sogar gesunken.
Waren es 2010 und 2011 noch 19 bzw. 14 Verfahren - jeweils 12 davon wegen Körperverletzung im Amt - wurden 2016 nur noch zwei Verfahren abgeschlossen. 2017 schloss die Berliner Justiz laut dem Senat für Justiz kein einziges Verfahren gegen Polizeibeamte wegen gewalttätigem Fehlverhalten ab. Wie die Verfahren beendet wurden - mit Freispruch, Verurteilung oder Verfahrenseinstellung, dazu sagt die Justiz-Statistik nichts aus.
Kriminologe Tobias Singelnstein fordert deswegen eine unabhängige Ermittlungsstelle für Fälle von Polizeigewalt. Eine solche ist in Form eines unabhängigen Polizeibeauftragten laut Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Koalition auch geplant, sie soll laut Auskunft des Linkspartei-Politikers Hakan Taş noch vor Jahresende eingerichtet werden.
Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft Berlin (DPolG) hält einen Polizeibeauftragten für »überflüssig«. Gegenüber dem nd kündigt Pfalzgraf dagegen Widerstand an, zumindest, »wenn es nur darum geht Fehlverhalten von Beamten aufzudecken«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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