Mit scharfem Schuss und Blick auf Russland
Georgien und die NATO begannen gemeinsames Militärmanöver. Auch die Bundeswehr ist dabei
Mit dem unschuldigen Status eines Weingutes aus Sowjetzeiten hat Wasiani schon lange nichts mehr zu tun. Der Ort wenige Kilometer östlich der georgischen Hauptstadt Tbilissi (Tiflis) ist heute in erster Linie Garnisonsstandort - für die 37 000 Mann starke Armee der Republik Georgien, immer häufiger aber auch auch für Truppen anderer Staaten.
So wie jetzt auch für Kontingente aus NATO-Staaten. Weder Ort noch Zeit sind dabei zufällig gewählt. In der nächsten Woche jährt sich zum zehnten Mal der Beginn des georgisch-russischen Krieges. Dessen Folge sind weitgehend unaufgearbeitet, aber der atlantische Militärpakt macht keinen Hehl daraus, wie er sich positioniert.
3000 Soldaten aus 13 NATO-Mitgliedsstaaten sind seit Mittwoch in Wasiani, um mit sowohl Defensiv- als auch Offensivübungen an der Seite der georgischen Truppen zu verdeutlichen, an wessen Seite sie sich sehen. Neben den USA, Frankreich, Großbritannien und der Türkei ist ach die Bundeswehr beteiligt. Georgiens Verteidigungsminister Lewan Isoria erklärte mit stolzgeschwellter Brust, »Die Manöver seien «ein weiterer Beleg für die wachsende Unterstützung» der NATO-Staaten für sein Land«. Das ist es wohl, aber mehr auch nicht. Zum Verdruss von Staatspräsident Giorgi Margwelaschwili wurde die heiß ersehnte NATO-Mitgliedschaft auf dem jüngsten Paktgipfel Mitte Juli in Brüssel zusammen mit dem Begehr der Ukraine ein weiteres Mal zurückgestellt.
Schon wegen ihrer eigenen Statuten konnte diese Entscheidung der NATO gar nicht anders ausfallen. Georgien befindet sich in einem ungelösten bewaffneten Konflikt mit Russland bzw. mit den abtrünnigen Teilrepubliken Abchasien und Südossetien, die sich von Georgien losgesagt haben. Ob die NATO deren Weg nun als völkerrechtlich legitim akzeptiert oder nicht - Konflikt bleibt Konflikt.
Der kaum weniger auf Krawall gebürsteten Staatsführung als jener von 2008 des politischen Abenteurers Michail Saakaschwili ist das allerdings schwer zu vermitteln. Helikopter- und Panzermanöver mit scharfem Schuss werden die Lage aber sicher nicht entspannen. Dass Margwelaschwili von der Rückholung Abchasiens und Südossetiens in den georgischen Staatsverband träumt, ist gewiss legitim. Dass dies auf militärische Weise, gar noch mit NATO-Hilfe geschehen könnte, ist dagegen äußerst unrealistisch. Man könnte es auch Wahnsinn nennen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, dass er eine Annäherung Georgiens an die NATO für tolerierbar hält, allerdings nicht in konfrontativer Haltung zu Russland, und bisher geschieht das ausschließlich so. Sicherheit nicht gegen Russland, sondern mit ihm, fordert Putin.
Die Sicherheit Europas werde nicht durch die Ausweitung der NATO-Grenzen gewährleistet, sondern durch die Zusammenarbeit mit Russland und die Wiederherstellung des Vertrauens, so Putin vorige Woche. Ginge die NATO darauf ein, wäre das allerdings ein Paradigmenwechsel, dann wohl doch lieber Manöver mit den georgischen Scharfmachern.
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