Ein Sorben-Parlament - auch ohne Okay aus der Politik

Initiative Serbski Sejm treibt Wahl eines eigenständigen Parlaments der Lausitzer Sorben voran - gegen Vorbehalte aus Bund und Ländern

  • Jörg Schurig
  • Lesedauer: 4 Min.

Bautzen. Die für ein eigenes Sorben-Parlament eintretende Initiative Serbski Sejm ist entschlossen, noch in diesem Herbst ein ehrenamtliches Parlament wählen zu lassen, das vor allem in Fragen von Bildung und Kultur entscheiden soll. Aus ihrer Sicht waren zuvor vergeblich mit den Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen Möglichkeiten zur Schaffung einer Volksvertretung der Sorben und Wenden ausgelotet worden.

Wer sich selbst als Sorbe bekennt, kann sich bis 27. Oktober als Wähler registrieren lassen. Dem Parlament sollen 24 Vertreter angehören - zwölf Niedersorben (Wenden) aus Südbrandenburg und zwölf Obersorben aus Ostsachsen. «Die niedersorbischen Abgeordneten sollen nicht von den obersorbischen überstimmt werden können», sagt Wahlleiter Hagen Domaschke.

Fest steht, dass sich der Sejm, wenn nach dem 3. November die Stimmen ausgezählt sind, rasch konstituieren soll. Vieles ist aber noch unklar. So, wie sich die beiden Landesregierungen zu den Entscheidungen des Parlaments verhalten werden. Es ein politisches Parlament sein. «Wir wollen das Völkerrecht Selbstbestimmung bei Bildung und Kultur», so Domaschke.

«Die Entscheidung pro und kontra Serbski Sejm ist zunächst die freie Entscheidung der Sorbinnen und Sorben», sagt Heiko Kosel, LINKE-Landtagsabgeordneter in Sachsen. Doch es fehle an positiven Signalen aus Sachsen und Brandenburg, damit die Wahl wirklich frei und sachgerecht sein könne. Der 51-Jährige, selbst Sorbe, spielt auf die mangelnde Unterstützung im Vorfeld der Wahlen an. Finanzhilfen etwa lehnten neben der Stiftung für das sorbische Volk und dem Bund auch Potsdam und Dresden ab. So sieht Brandenburg «keinen Regelungsbedarf», da die politische Partizipation der Sorben gewährleistet und effektiv sei.

Aus Sachsen kamen unlängst versöhnlichere Töne. Einen Auftritt von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Bautzener «Haus der Sorben» interpretierten Sejm-Aktivisten eher positiv. Kretschmer habe gesagt, dass er «nicht der Schiedsrichter sei, sondern dass die Sorben diese Frage untereinander klären müssen», teilten sie mit.

Damit spielt Kretschmer den Ball zurück, denn Sorben und Wenden sind uneins, ob man einen Sejm braucht und inwieweit es bestehende Strukturen infrage stellt. Denn um die Belange der slawischen Minderheit in der Lausitz - rund 60 000 Menschen - kümmern sich bereits Institutionen wie die Stiftung für das sorbische Volk, der Dachverband Domowina, das Sorbischen Institut und andere.

Die Initiative verspricht, eine klaffende «Demokratielücke» im sorbischen Volk schließen: Nach innen will man eine allgemeine Meinungsbildungsplattform sein und etwa die Vergabe der Finanzmittel regeln, was bisher der «Stiftung für das sorbische Volk obliegt. Nach außen soll der Sejm eine Volksvertretung sein und nicht wie bisher eine Interessenvertretung auf Vereinsbasis - das ist die Domowina, der Bund Lausitzer Sorben.

Domowina-Chef Dawid Statnik hat Vorbehalte gegen den Sejm. Die Initiative sei 2011 angetreten, um eine Körperschaft öffentlichen Rechts zu bilden. »Derzeit finden aber nur Wahlen eines nicht eingeschriebenen Vereins statt, die nur eine kleine Gruppe von Sorben/Wenden und deren Sympathisanten erreicht. Den selbstgewählten Anspruch öffentlicher Wahlen erfüllen sie damit nicht.«

Weder sorbische Gremien noch Bund und Länder sprächen sich bisher für ein Sorbisches Parlament aus, so Statnik: »Zu viele rechtliche und praktische Fragen sind unbeantwortet.« Man wolle mit allen zusammenarbeiten, die für sorbische Belange eintreten. »Das bedingt jedoch gegenseitige Achtung, Respekt und Vertrauen. Das haben wir bisher bei der Initiative nicht wahrnehmen können.«

Dass es untereinander Misstrauen gebe, gibt Wahlleiter Domaschke zu. Er sei schockiert, dass viele Sorben in exponierten Positionen zwar intern das Anliegen unterstützen, aber aus Sorge vor beruflichen oder persönlichen Nachteilen nicht selbst aktiv werden wollen: »Es ist ein Klima der Angst, der Einschüchterung.«

Kosel unterstützt den Sejm, fühlt sich aber in der Domowina geborgen. »Die Domowina ist das Einzige, was den Leuten außerhalb des sorbisches Kerngebietes Halt gibt, wenn es um ihre Sprache und Kultur geht.« Doch viele seien von der Domowina auch enttäuscht, weil sie wesentliche politische Anliegen erfolglos blieben. Der Sejm könnte eine große Chance sein. »Bislang wird in Europa die Debatte um Autonomie meist von denen bestimmt, die besonders laut auftreten und selbst vor Gewalt nicht zurückschrecken. Deutschland könnte mit den Sorben und Wenden zeigen, dass es auch anders geht«, sagt er. dpa/nd

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