Aufstand in Treblinka

Kalenderblatt

  • Ingrid Heinisch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Geschätzter Leser, nur Ihnen zuliebe halte ich an meinem jämmerlichen Leben fest, obwohl es für mich seinen ganzen Reiz verloren hat.« Mit diesen Worten beginnt Jankiel Wiernik seinen Bericht »Ein Jahr in Treblinka«, den er sofort nach seiner Flucht aus dem NS-Vernichtungslager nahe Warschau zu schreiben begann. Er war einer der wenigen Überlebenden des Häftlingsaufstandes am 2. August 1943 in jener Hölle, in der die Nazis etwa eine Million Menschen im Gas ermordeten, fast so viele wie in Auschwitz.

Das im Rahmen der »Aktion Reinhardt« errichtete Lager Treblinka gehörte neben Auschwitz, Sobibor, Chelm und Belzec zu den großen Mordstätten der deutschen Okkupanten auf polnischem Gebiet. Es bestand aus zwei Lagern; in dem einen befanden sich die drei Gaskammern, in dem anderen mussten Arbeitshäftlinge die Habseligkeiten der Ermordeten zur weiteren »Verwertung« sortierten.

Als im Frühjahr 1943 nicht mehr so viele Deportationszüge ins Lager kamen, begannen die Häftlinge des Arbeitslagers, den Aufstand zu planen. Ihnen war klar, dass sie nach Beendigung der »Vernichtungsaktion« auch umgebracht würden - als Zeugen des Verbrechens. Sie gründeten ein Organisationskomitee, zu dem auch Jankiel Wiernik gehörte. Als Tischler hatte er Zugang zu beiden Lagern und konnte die Verbindung zwischen den Häftlingen aufrechterhalten. Es war geplant, die ukrainischen Wachmannschaften mit Gold zu bestechen - Gold, das von den ermordeten Juden stammte -, um an Waffen zu gelangen. Die Ukrainer nahmen zwar das Gold, gaben jedoch keine Waffen heraus. So besaßen die Aufständischen am 2. August gerade mal fünf Gewehre, eine Pistole und etwa 60 Handgranaten, die sie sich selbst heimlich beschafft hatten.

Es gelang, die Wachleute zu überrumpeln, indem man beispielsweise ihre Gier ausnutzte. Wiernik erinnerte sich, dass es genügte, einem Wachmann eine Goldmünze zu zeigen. »Der Ukrainer vergaß völlig, dass er Wachdienst hatte. Er ließ sein Maschinengewehr liegen und kletterte hastig herunter, um dem Juden das Goldstück wegzunehmen. Sie packten und töteten ihn und nahmen seinen Revolver.«

Höchstens 250 Häftlingen gelang die Flucht. Die meisten Entflohenen wurden von der SS eingeholt und auf der Stelle erschossen. Auch Wiernik traf ein Streifschuss; er konnte aber seinen Verfolger überwältigen und töten. »Ich war frei und rannte in den Wald. Nachdem ich etwas tiefer in das Dickicht eingedrungen war, setzte ich mich zwischen die Sträucher. In der Ferne hörte ich viele Schüsse.«

Wiernik schlug sich nach Warschau zu Freunden durch, wo er seinen Bericht schrieb, der zunächst von der polnischen Untergrundorganisation Zegota und dann auch in London veröffentlicht wurde. Damit erfuhr die Welt vom Grauen in Treblinka. Aber auch vom Mut der jüdischen Häftlinge. Ingrid Heinisch

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