Dubioser Anschlag auf Präsident Maduro
Nach den Explosionen auf einen Festakt kündigt Venezuelas Staatsanwaltschaft Enthüllungen an
Caracas. »Es ist die Stunde der ökonomischen Erholung angebrochen.« Mitten in der Rede des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro ist ein Knall zu hören, der Präsident setzt kurz fort »Und wir brauchen ...«, bevor er mitten im Satz abbricht und von Personenschützern hinter schusssicheren Platten verschanzt wird, Anschließend wird Maduro von der Bühne geleitet. Diese Bilder von Samstagnachmittag in Caracas sind auf einem Video dokumentiert.
Ein Augenzeuge des Geschehens war Generalstaatsanwalt Tarek Willam Saab, der auf »CNN en español« seine Erlebnissen schilderte. »Ich sah eine Drohne und dachte erst, es sei eine Kamera, die den Akt filmen würde«, erzählte Saab. »Dann aber explodierte sie in unmittelbarer Nähe der Bühne.«
Anlass von Maduros Rede war ein Festakt zu Ehren der Bolivarischen Nationalgarde GNB auf der Avenida Bolívar im Herzen von Caracas. Sieben Soldaten der GNB wurden bei den Explosionen verletzt.
Für Maduro ist die Sache klar: »Heute hat man versucht, mich zu töten«, sagte der Präsident am Samstagabend während einer halbstündigen Rede wenige Stunden nach dem Anschlag, die auf allen Programmen zeitgleich übertragen wurde. Maduro machte direkt die scheidende Regierung des Nachbarlandes Kolumbien verantwortlich. »Ich habe keinen Zweifel, dass die Ultrarechte Venezuelas mit der Ultrarechten Kolumbiens konspiriert hat und Präsident Juan Manuel Santos hinter dem Komplott steckt.«
In Kolumbien steht am Dienstag die Amtsübergabe von Juan Manuel Santos zu Iván Duque bevor. Die Vorwürfe wurden kategorisch zurückgewiesen. »Das entbehrt jeder Grundlage«, sagte ein Sprecher in Bogotá. Zwischen den linksautoritären Maduro und dem rechtskonservativen Santos knirscht es seit Langem. Die Beziehungen sind vor geraumer Zeit auf konsularisches Niveau heruntergestuft worden. Hunderttausende Venezolaner sind wegen der Wirtschaftskrise nach Kolumbien migriert, erst am 2. August hat Santos 440 000 Venezolanern eine Aufenthaltsgenehmigung für zwei Jahren erteilt. Sein Nachfolger Duque hat bereits angekündigt, keinen Botschafter nach Venezuela zu schicken solange Nicolás Maduro im Amt ist.
Neben Kolumbien machte Maduro auch in den USA Hintermänner aus. Die Finanziers des Attentats befänden sich im US-Bundesstaat Florida. »Einige derjenigen, die das Attentat verübt haben, sind bereits festgenommen«, behauptete Maduro in seiner Ansprache vor hohen Militärs und Mitgliedern seiner Regierung.
Später ergänzte Generalstaatsanwalt Tarek Willam Saab gegenüber dem Nachrichtensender »CNN en español«, die Festgenommenen seien geständig. Details würden aber erst am Montag bekanntgegeben.
Eine bisher unbekannte Gruppe »Soldados de Franelas« (Flanell-Soldaten) schrieb auf Twitter, sie habe den Drohnenanschlag verübt. »Es ging darum, zwei Drohnen mit (Sprengstoff) C4 zum Podest des Präsidenten zu fliegen, aber Scharfschützen der Ehrenwache schossen die beiden Drohnen ab, bevor sie ihr Ziel erreichten«, schrieb die Gruppe. »Wir haben gezeigt, dass sie verwundbar sind, heute ist es nicht gelungen, aber das ist nur eine Frage der Zeit«, schrieben die Autoren, die sich selbst als »patriotische Militärs und Zivilisten« bezeichnen. Eine Überprüfung dieser Angaben war nicht möglich.
Zweifel an der offiziellen Version von einem Mordanschlag auf Maduro kamen schnell auf. Die Nachrichtenagentur AP berichtete, Feuerwehrleute vor Ort hätten der Anschlagsversion widersprochen. Tatsächlich sei nur ein Gastank in einem nahe gelegenen Gebäude explodiert. Oppositionelle äußerten in Medien die Befürchtung, dass der wegen einer extremen Wirtschafts- und Sozialkrise unter Druck stehende Maduro nun noch härter gegen seine Gegner vorgehen könnte.
Schon im Juni vergangenen Jahres war es nach offiziellen Angaben zu einem Anschlag in Caracas gekommen, als der Polizeipilot Oscar Pérez einen Hubschrauber kaperte und Granaten auf das Innenministerium abfeuerte. Vergangenen Januar wurde er offiziellen Angaben zufolge bei Caracas vom Militär getötet.
Mit der Regierung in Caracas befreundete sozialistische Staaten wie Bolivien, Kuba und Nicaragua solidarisierten sich mit Maduro. Das sei das Werk von »Terroristen« und »Kriminellen«, sagte Nicaraguas Regierungssprecherin Rosario Murillo, die Frau von Staatschef Daniel Ortega. Auch die Türkei verurteilte den »Angriff«, der »große Sorge« in Ankara ausgelöst habe. »Wir verurteilten den abscheulichen Anschlag aus Schärfste«. Den Verletzten wünsche man schnelle Genesung. Auch Russland hat das mutmaßliche Attentat auf Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro entschieden verurteilt. Das russische Außenministerium erklärte am Sonntag, die Anwendung »terroristischer Methoden als Werkzeug politischer Kämpfe« werde »kategorisch« abgelehnt.
Venezuela leidet seit langem unter einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise, internationale Organisationen warnen vor einer humanitären Notlage. Agenturen/nd
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