- Politik
- Landtagswahl in Bayern
Gerangel um Platz zwei
Bayern: Wenn die CSU nach der Landtagswahl einen Partner braucht - wer könnte das sein?
Diesen Umfragewert aus der vergangenen Woche würden Bayerns Grüne am liebsten bis zum 14. Oktober einfrieren: 16 Prozent - das wäre bei der bayerischen Landtagswahl aktuell Rang zwei hinter der CSU. Doch die Wahl ist noch lange nicht gelaufen, weder für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von der CSU noch für die Opposition. Die Landes-SPD hofft, ihre bisherige Position als zweitstärkste Kraft verteidigen zu können, trotz Umfragewerten von zwölf bis 13 Prozent. Aber auch die AfD kann sich manchen Umfragen zufolge Hoffnungen auf Platz zwei machen.
Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze ist zuversichtlich, will sich aber auch nicht zu optimistisch geben. »Wir möchten Platz zwei aus den Umfragen halten bei der Wahl - aber das entscheiden die Wählerinnen und Wähler«, sagt sie. Die Umfragen seien für die Grünen Rückenwind und Ansporn, einen leidenschaftlichen Wahlkampf zu führen. Doch auch SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen sagt: »Da geht noch was.« Man sehe an allen Umfragen, dass unglaublich viele Menschen bisher nicht entschieden hätten, wen sie wählen. »Deshalb ist das ein offener Wahlkampf, mehr als in der Vergangenheit«, betont Kohnen.
Fakt ist: Bayern ist für die SPD schon immer ein schwieriges Pflaster gewesen. Bei Wahlen hier sind die Sozialdemokraten leidgeprüft. Die Rolle als Koalitionspartner in Berlin macht es der Bayern-SPD ebenfalls nicht leichter - da haben es die Grünen etwas einfacher.
»Die Wahl ist eine Richtungsentscheidung: Alle, die Demokratie und Freiheit verteidigen wollen, die gemeinsam Politik für die Zukunft machen wollen, die sind bei uns herzlich willkommen«, sagt Schulze. Die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock erklärt, man wolle am 14. Oktober auch enttäuschte Anhänger anderer Parteien gewinnen: »Darum gehen wir in die Breite der Gesellschaft, um denjenigen ein Angebot zu machen, die auf eine pro-europäische Politik setzen.« Aber auch Kohnen kündigt an: »Wir werden die Landtagswahl auch zu einer Europaentscheidung machen.« Außerdem gehe es um den politischen Stil, den Anstand in der politischen Debatte. »Und da hat sich die CSU in den vergangenen Wochen ins verbale Abseits katapultiert.«
Im Abseits steht aus Sicht der anderen Parteien auch die AfD. Doch das ist den AfD-Anhängern egal, von denen es im Freistaat ebenfalls genügend gibt: Bei zwölf bis 14 Prozent lag die Partei in jüngeren Umfragen - damit ist zwischen Rang vier und Rang zwei für die AfD alles drin. Die AfD zielt nach Worten ihres Landesvorsitzenden Martin Sichert auch auf Berlin: »Es gilt, dass wir für die CSU bei der Landtagswahl ein so einschneidend schlechtes Wahlergebnis erreichen möchten, dass dadurch die große Koalition in Berlin ins Wanken kommt«, sagte Sichert zuletzt der »Passauer Neuen Presse«. Als Koalitionspartner für die CSU scheidet die AfD aus, das jedenfalls hat Söder mehrfach erklärt. Aber mit wem soll er dann im Fall der Fälle koalieren? Als Wunschpartner gilt die FDP, die aber bei Umfragen zwischen fünf und sechs Prozent liegt und deshalb nicht sicher im Landtag ist. Die Freien Wähler wollen ebenfalls mit der CSU regieren - wenn auch nicht um jeden Preis, wie Landeschef Hubert Aiwanger immer wieder betont. Die Frage ist aber auch: Könnte es sein, dass der CSU am Ende nicht einmal ein kleiner Koalitionspartner reicht, dass sie zwei kleine braucht - oder eben einen etwas größeren, also gemessen an den Umfragen die SPD oder die Grünen?
Die SPD will sich der CSU jedenfalls nicht als Partner andienen. »Es bleibt dabei: Wir machen keine Koalitionsaussage«, sagt Kohnen. »Ich will vermeiden, dass es nur noch um Machtspielchen geht. Denn wenn es nur noch um Koalitionsüberlegungen geht, dann rücken die Themen in den Hintergrund.« Und die Themen seien der SPD wichtig, betont Kohnen und zählt exemplarisch auf: Wohnen, Familie, Soziales, Europa. Die Grünen dagegen hatten schon vor einiger Zeit erklärt, künftig mitregieren zu wollen. Das bedeutete faktisch eine Koalitionsaussage zugunsten der CSU, denn andere Bündnisse ohne Beteiligung der AfD sind rechnerisch unmöglich. Vor einigen Wochen, angesichts des scharfen Asyl-Kurses der Christsozialen, ruderten die Grünen dann aber wieder etwas zurück.
Und was ist jetzt? »An unserer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, hat sich nichts geändert«, sagt Schulze. »Es muss aber inhaltlich passen - und mit der CSU der vergangenen Wochen geht es halt nicht. Mit uns kann man über ökologische, gerechte, weltoffene und pro-europäische Politik immer reden - aber über autoritäre und europafeindliche Politik nicht.« Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, erklärte am Sonntag im ZDF-Sommerinterview: »Mit dieser CSU wird es (das) jedenfalls so nicht geben, wenn sie bei diesem nationalen Kurs weiter bleiben wird.«
Doch mögliche Koalitionsverhandlungen sind derzeit ohnehin noch weit weg. Denn wie die Wahl ausgeht, vermag derzeit keiner vorherzusagen. Der Kampf um Platz zwei geht deshalb weiter. Noch gut zwei Monate. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.