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Zwei Etagen und zwei Stangen
Senat will Doppeldecker-Elektrobusse / Verbände kritisieren U-Bahnplanungen scharf
»Wir sind erschüttert, dass unter einer Senatorin der Grünen so eine U-Bahnbauorgie geplant ist«, sagt Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. Partiell erinnere der Entwurf des neuen Nahverkehrsplans (NVP) für Berlin an »Verkehrspolitik der 1960er Jahre«, so der Fahrgastvertreter weiter. Still und heimlich hatte die Verkehrsverwaltung am Freitag das mehrere hundert Seiten starke Konvolut veröffentlicht, das einen Blick auf die Nahverkehrszukunft in der Hauptstadt richtet.
Hunderte Kilometer Fahrdrähte für Elektrobusse, Dutzende Kilometer neue Straßenbahnstrecken, dichtere Takte, neue Angebote zur Fahrgastbeförderung, all das schlagen die Planer in dem neuen Papier vor - und zunächst die Untersuchung einiger Verlängerungen des U-Bahnnetzes.
Die für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zuständige Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) plädiert für einen Ausbau der U-Bahn, um die Verkehrsströme der wachsenden Stadt auch in Zukunft zu bewältigen. »Gerade beim Thema Verkehr sollte man keine Politik machen, die nur auf drei, vier Jahre ausgerichtet ist«, so Pop.
Applaus erhält sie dafür von der CDU. »Schön, wenn Wirtschaftssenatorin Pop leider nur als einsame Ruferin von Rot-Rot-Grün mit dem Ausbau der U-Bahn einer Forderung der CDU-Fraktion nachkommt«, erklärt Oliver Friederici, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.
LINKEN-Verkehrsexperte Harald Wolf widerspricht: »Man muss Prioritäten setzen. Die gleichzeitige Umsetzung des Zielnetzes der Straßenbahn und umfangreicher U-Bahnprojekte wird nicht möglich sein«, erklärt er auf nd-Anfrage. Damit liegt er auf einer Linie mit den Verbänden. »In den nächsten Jahren und Jahrzehnten führt nichts an einem Ausbau der Straßenbahn vorbei, weil sie gegenüber Bus und U-Bahn deutliche Vorteile hat«, heißt es in einer Stellungnahme des Umweltverbandes BUND zum NVP. »Neue U-Bahnstrecken sind schlicht zu teuer und dauern im Bau viel zu lang«, erklärt der BUND. Tatsächlich kostet ein Kilometer U-Bahn das Zehn- bis Zwanzigfache einer Tramstrecke. »Prioritär ist der Ausbau der Straßenbahn«, sagt auch Jochen Bona vom Deutschen Bahnkundenverband.
»Grundsätzlich halte ich es für richtig, sich Gedanken zu machen, an welchen Stellen eine Verlängerung der U-Bahn Sinn machen würde«, erklärt wiederum Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Aufwand und Nutzen muss man allerdings sorgfältig abwägen«, sagt er weiter.
»Auf dem Ausbau des Straßenbahnnetzes liegt der Schwerpunkt«, sagt Dorothee Winden, Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Politik müsse aber auch in längeren Linien denken. »Über die U-Bahn denken wir zusätzlich nach, ohne den Schwerpunkt Tram aus den Augen zu verlieren«, verspricht sie.
Gegenüber den bekannten Straßenbahnprojekten gibt es vor allem in Spandau eine Neuerung. Um den komplett überlasteten Busverkehr im Randbezirk zu entlasten, soll dort bis 2030 ein Inselnetz entstehen. Vom Falkenhagener Feld über den Bahnhof Spandau bis zur Heerstraße Nord könnte ein Großteil der Buslinie M37 durch eine Tram ersetzt werden. »Damit sind unsere seit April intensivierten Bemühungen für ein separates Inselnetz für Spandau nach mehreren Gesprächen mit Senatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) erfolgreich gewesen«, sagt die Spandauer Grünen-Bezirksverordnete Elmas Wieczorek. Jochen Bona hält die Errichtung für besonders wichtig, weil in Spandau momentan noch besonders viel Auto gefahren wird.
Allein 50 Seiten dick ist der Anhang des Nahverkehrsplans, der sich dem Thema »Migration des Busverkehrs auf alternative Antriebe« widmet. Schließlich darf die BVG spätestens ab 2030 keine Dieselbusse mehr betreiben, so schreibt es das Ende Juni verabschiedete Mobilitätsgesetz vor. Nur rund sieben Prozent der derzeitigen Kohlenstoffdioxidemissionen des BVG-Busnetzes lassen sich laut NVP-Berechnungen bis 2030 durch die Umstellung auf Straßenbahn vermeiden - das entspricht einer Einsparung von rund 110 Bussen, bei einer Flotte von derzeit 1500 Stück.
Für den übergroßen Rest des Fuhrparks müssen Elektrobusse beschafft werden. Bestellt sind bereits 30 normale Stadtbusse mit zwölf Metern Länge, die ab 2019 Linien befahren sollen, die den Ostbahnhof tangieren. Es sind sogenannte Depotlader, deren Batterien über Nacht im Betriebshof vollgeladen werden. Ohne Nachladung können sie maximal 150 Kilometer pro Tag fahren. Allerdings legen BVG-Busse auf vielen Linien täglich 400 Kilometer zurück. Für sehr viel Geld - Elektrobusse kosten derzeit das Doppelte herkömmlicher Dieselbusse - müssten Hunderte Fahrzeuge zusätzlich angeschafft werden, wenn die Flotte nur auf diese Technologie umgestellt werden würde. Allein schon wegen der dann zusätzlich nötigen Abstellflächen wäre das ein verwegenes Unterfangen.
Die Lösung laut Nahverkehrsplan: Neben Ladepunkten an Endhaltestellen müssen mindestens 240 Kilometer Oberleitungen für die stärkstgenutzten Abschnitte des Busnetzes installiert werden. Über Stromabnehmer wie beim Oberleitungsbus in Eberswalde würden die Fahrzeuge ihren Fahrstrom beziehen und gleichzeitig die Batterien für die restliche Strecke aufladen. »Durch den besonders niedrigen Batteriebedarf ergeben sich mit der Streckenladungstechnologie auch Einsatzperspektiven für elektrische Doppeldecker«, heißt es im Bericht. 2022 sollte laut NVP der erste Streckenabschnitt betriebsbereit sein. Das klingt sportlich, denn wie bei der Straßenbahn ist ein Planfeststellungsverfahren vor der Errichtung nötig.
Die nötigen Fahrzeuge, zumindest als Gelenkbusse, werden bereits serienmäßig produziert. Denn immer mehr klassische Obusbetriebe nutzen die Vorteile der Batterien, um den elektrischen Betrieb über das Fahrleitungsnetz hinaus auszudehnen. Außerdem können teure Fahrdrahtkreuzungen und -weichen eingespart werden.
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