Nur ein Brüsseler Papiertiger?

Trump droht allen bei Geschäften mit Iran - das »Blockade-Statut« der EU soll schützen

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.

Kurz nach Mitternacht US-Ostküstenzeit sind am Dienstag die Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen Iran offiziell wieder in Kraft getreten. Zuvor hatten sich die Präsidenten beider Staaten noch einmal ein verbales Fernduell geliefert. Wie Hassan Ruhani mit Blick auf Donald Trumps wiederholte Forderung erklärte, könne man mit dem Messer im Rücken schlecht über ein neues Atomabkommen verhandeln. Die USA müssten sich erst einmal als »vertrauenswürdig« erweisen. Doch Trump macht kein Hehl daraus, dass er die »mörderische Diktatur« in Teheran mit »maximalen wirtschaftlichen Druck« in die Knie zwingen wolle und setzt bewusst auf Eskalation. Ruhani wirft ihm vor, einen »psychologischen Krieg« gegen sein Land zu führen.

Die Strafmaßnahmen richten sich jetzt vor allem gegen Irans finanzielle Transaktionen auf Dollar-Basis, den Automobilsektor sowie den iranischen Export von Agrarprodukten und Teppichen. Zudem werden Lizenzen, die Teheran den Kauf von Flugzeugen und Flugzeugteilen sowie Edelmetallen erlaubten, widerrufen. Mit dem zweite Teil der Sanktionen sollen dann ab 5. November der internationale Zahlungsverkehr mit Iran ganz lahmgelegt sowie der für Teherans Wirtschaft so wichtige Ölsektor angegriffen und Exporte praktisch auf Null reduziert werden.

Der US-Präsident drängt alle Staaten, sich den neuerlichen Strafmaßnahmen anzuschließen. Die Europäische Union ist gegen diese Politik und will das so mühsam ausgehandelte, aber nachweislich funktionierende Atomabkommen mit Teheran retten. Zumal sich die US-Strafen auch gegen Unternehmen aus Drittländern richten, die Geschäfte in Iran machen. Trump droht ihnen jetzt erneut mit »ernsten Konsequenzen«. Schon haben europäische Konzerne wie Siemens, die Opel-Mutter PSA um die Marken Peugeot und Citroën oder der Erdölriese Total mit seinem Fünf-Milliarden-Dollar-Projekt, die nach dem Atomdeal in das lange isolierte Land zurückgekehrt waren, ihren erneuten Rückzug angekündigt. Am Dienstag legte auch Daimler seine Aktivitäten in Iran auf Eis.

Brüssel will deshalb Autofirmen, Banken oder Energiekonzerne aus der Union vor den Auswirkungen dieser »sekundären« US-Sanktionen schützen. So könnten ihre Unternehmenswerte oder Immobilien in den Vereinigten Staaten beschlagnahmt werden. Im Verständnis der Europäischen Kommission ist das schlichtweg illegal. Sie hat deshalb zur Abwehr die »Blocking Regulation« reaktiviert. Sie ermöglicht es Betroffenen, vor europäischen Gerichten gegen solche »exterritorialen« Strafmaßnahmen zu klagen und ihrerseits Schadenersatz von den Vereinigten Staaten einzufordern - etwa durch Beschlagnahme von US-Besitz. Zugleich werden Urteile ausländischer Gerichte nicht anerkannt.

Dieses »Blockade-Statut« wurde bereits vor 22 Jahren erstmals erlassen, als es auch um Wirtschaftssanktionen gegen Iran und zudem gegen Kuba und Libyen ging (EU-Verordnung 96/2271). Doch einen Präzedenzfall gibt es noch nicht. Denn damals reichte schon die Drohung mit dem Folterinstrument, um Washington zum Einlenken zu bewegen. Heute gehen Experten davon aus, dass Trump auch auf diesem Feld die Konfrontation mit den Partnern nicht scheuen werde.

Eigentlich verbietet die Verordnung Unternehmen unter Strafandrohung sogar, sich den Sanktionen zu unterwerfen - es sei denn, die Kommission erlaubt eine Ausnahme. Doch will Brüssel nicht vorschreiben, in Iran zu investieren; schließlich schütze man auch die unternehmerische Freiheit. Vor allem Konzerne mit bedeutenden Geschäftsfeldern, Tochterfirmen und großen Vermögenswerten in den USA, wie etwa die Deutsche Bank, werden es sich zwei Mal überlegen, ob sie selbige aufs Spiel setzen. So ist das Ganze vorerst mehr ein politisches Signal der EU-Selbstbehauptung an die Trump-Regierung. Zugleich bemüht man sich in Brüssel um einen Finanzierungskanal Richtung Teheran und die Fortsetzung iranischer Öl- und Gasexporte.

Für Professor Richard Nephew von der New Yorker Columbia-Universität liegt Trumps Strategie auf der Hand: Er setze auf die weitere massive Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, was zu wachsendem Unmut im Volk und wachsendem Druck auf die Regierung in Teheran führen werde. Bis hin zum in Washington offenbar angestrebten »Regimewechsel«? Auf alle Fälle würden Strafmaßnahmen zu höherer Arbeitslosigkeit sowie Inflation führen und den Iranern »echten Schaden« zufügen, so der Autor des Buches »The Art of Sanctions« (Die Kunst der Sanktionen). Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin geht allerdings davon aus, dass die iranische Führung dem Druck von außen und innen noch sehr lange standhalten könne. Die mögliche Strategie der USA, das Regime in Teheran zu erschüttern, werde deshalb nicht aufgehen.

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