Elektroschrott flott machen

Der Verein Kunst-Stoffe betreibt zwei sogenannte Repair-Cafés und zwei Materiallager für Wertstoffe

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Handvoll Menschen haben sich im Café MadaMe am Kreuzberger Mehringplatz eingefunden. Auf einem großen Tisch vor der Eingangstür liegt allerlei Werkzeug. Schraubenzieher, Zangen, Bohrmaschine, Heißklebepistole, Voltmeter und, und, und. Am Tisch lässt eine junge Studentin ihre mitgebrachte Stereoanlage reparieren. Ihr gegenüber werkeln mehrere Menschen an einem in die Jahre gekommenen Röhrenfernseher herum.

Ein wenig abseits inspiziert Bernd Schellenberg derweil die Dampfbügelstation von Jaqueline, die ihren Nachnamen nicht verraten möchte. Die Station produziert keinen Dampf mehr. Sieben Jahre ist das Gerät alt, vier davon im Besitz von Jaqueline. Weil der Hersteller keine Reparaturen mehr anbietet, ist sie zum ersten Mal im Repair-Café. »Wegschmeißen wäre zu schade. Eigentlich funktioniert die Maschine noch«, sagt sie. »Mir tut es jedes Mal in der Seele weh, wenn ich etwas wegwerfe.« Überhaupt lebe sie sehr umweltbewusst. Früher hatte ihr Ex-Partner Reparaturen im Haushalt übernommen. Jetzt macht ein Freund einiges. »Aber der kann nur Handy und Laptop.«

»Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe«, sagt Bernd Schellenberg, während er die Bügelstation von innen betrachtet. »Mich interessiert, wie Dinge funktionieren. Im Prinzip betreibe ich hier Grundlagenforschung.« Wenn er nicht gerade Verzweifelten Beistand bei Reparaturen leistet, arbeitet der gelernte Maschinenschlosser und Automechanikermeister als Schrottkünstler. Aus Autowracks fertigt er dann Plastiken und Skulpturen. Nebenbei restauriert er Oldtimer.

Zehn Expert*innen engagieren sich ehrenamtlich im Repair-Café in Kreuzberg. Jeden ersten Montag im Monat ab 16 Uhr kann man sich hier helfen lassen. Besonders häufig gehe es um Haushaltsgeräte wie Stehlampen, CD-Player oder Fernseher, so Schellenberg. Die Ehrenamtlichen wollen als Kontaktbörse im Kiez fungieren und Aufklärungsarbeit zum Thema Recycling leisten. Neben Kiezbewohner*innen aus prekären Verhältnissen kommen auch Liebhaber*innen antiquierter Objekte in das Café, um ihre Schmuckstücke reparieren zu lassen.

Im Materiallager in der Neuköllner Rollbergstraße sortiert Sebastian Stragies Teppiche. Sowohl Repair- Café als auch Materiallager gehören zum Verein Kunst-Stoffe. Ein zweites Lager betreibt der gemeinnützige Verein in Pankow. Dadurch soll vermeintlicher Müll zwischengelagert und an Interessierte weiterverkauft werden. »Für neuwertige Ware nehmen wir 50 Prozent des ursprünglichen Preises. Ansonsten 20 bis 30 Prozent«, sagt Stragies.

Zwei Bufdis (Bundesfreiwilligendienstler) beschäftigt Stragies. Daneben kommen hin und wieder Freiwillige und packen mit an. Ein Großteil der Ware kommt von Unternehmen, aber auch Privatpersonen spenden gelegentlich etwas. Regelmäßig bringt etwa die Messe Berlin Teppiche, Holz oder Eisenstangen von abgebauten Messeständen vorbei.

Kostendeckend sei das Ganze noch nicht. Das Projekt basiere bislang auf Spenden. 80 Quadratmeter hat der Verein auf dem Grundstück der ehemaligen Kindl-Brauerei angemietet. Das sei zwar nicht viel, so Stragies, aber dank der Deckenhöhe lässt sich nach oben hin viel verstauen.

Für den studierten Soziologen und Politikwissenschaftler ist die enorme Müllproduktion der Stadt ein Unding. »Es ist gut, dass zumindest der politische Willen da ist, das zu ändern«, sagt er mit Blick auf die unlängst vom rot-rot-grünen Senat diskutierte »Zero-Waste-Strategie«. »Sobald etwas bei der Berliner Stadtreinigung auf dem Resthof ist, darf man es nicht mehr rausholen.« Und das, obwohl dort sogar zum Teil originalverpackte Ware zu finden sei, kritisiert er. »Perspektivisch müsste es überall eine Mischung aus Tauschladen und Materiallager geben«, findet Stragies. »Schön wäre zumindest, wenn wir es schaffen würden, in jedem Bezirk ein Materiallager zu eröffnen.«

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