Fegepausen gegen den Ansturm

In vielen Freibädern und Touristenhochburgen sind nicht alle Besucher willkommen

  • Christian Böhmer, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Das schicke Freibad auf einer grünen Seine-Insel in Puteaux lockt mit einem kühlen Bad vor den Toren von Paris. Doch Aurore und ihr Sohn Tristan sind nicht willkommen: Das städtische Bad ist bei Hitzetemperaturen ganz den Bewohnern der Kommune und Abonnenten vorbehalten. Schon an der Parkplatzeinfahrt werden Auswärtige abgewiesen, ob sie nun aus Paris, Lille oder Marseille kommen. »Wir sind Opfer unseres Erfolgs«, sagt ein Mitarbeiter mit bedauerndem Unterton an der Schwimmbadkasse.

Wegen Überfüllung geschlossen - so heißt es mittlerweile an vielen beliebten Orten in Europa. Im Rathaus von Puteaux wird auf die Sicherheit verwiesen. »Der Einlass ist auf 800 Menschen begrenzt«, sagte Vizebürgermeister Franck Cavaye. Noch vergangenes Jahr habe es lange Schlangen, Auseinandersetzungen und Beschädigungen im Schwimmbad gegeben. Die »Anwohnerregelung« ist seit Sommer 2017 gültig, sorgt aber erst im Hitzesommer 2018 für Wirbel.

Auch in Paris selbst hat man viel zu tun, um es allen Besuchern aus dem In- und Ausland recht zu machen. Für den Eiffelturm mit mehr als sechs Millionen Besuchern im Jahr werden inzwischen viele Tickets über das Internet verkauft, um Wartezeiten zu verringern. Die Angestellten waren aber unzufrieden - und streikten vergangene Woche. Tausende Touristen standen vor den verschlossenen Gittern des Wahrzeichens.

In Nordspanien wird die Besucherzahl eines besonders spektakulären Strandes schon seit vier Jahren begrenzt. Um die berühmte Playa de Las Catedrales (Strand der Kathedralen) in Galicien nordöstlich von La Coruña erleben zu dürfen, brauchen Besucher in den Sommermonaten eine »persönliche und nicht übertragbare« Sondergenehmigung. Der Strand mit seinen eindrucksvollen Felsformationen wurde bereits 2007 zum Biosphärenreservat erklärt. Von Anfang Juli bis Ende September dürfen täglich nur noch 4812 Menschen das Naturwunder besuchen.

In Italien wird immer wieder über Zugangsbeschränkungen für Touristenattraktionen diskutiert, beispielsweise im dauerüberlaufenen Venedig. Aber auch wenn immer wieder von Drehkreuzen, Schranken oder ähnlichem die Rede ist: Anziehungspunkte der Lagunenstadt wie der Markusplatz wurden bisher noch nie wegen Überfüllung geschlossen. Abseits der Brennpunkte des Massentourismus darf aber auch in Bella Italia nicht jeder rein, der will. So dürfen Autos und Motorräder im Sommer nur noch in beschränkter Zahl um das Sellajoch, einen Alpenpass in den Dolomiten, fahren. So soll die Umwelt geschützt werden. Auf den Wanderweg zwischen den malerischen Dörfern in Cinque Terre in Ligurien darf man wegen des Ansturms mittlerweile nur noch mit Ticket hinein.

Mit harten Bandagen geht auch die niederländische Hauptstadt Amsterdam gegen Überfüllung vor. Im Rotlichtquartier nahe des Bahnhofs wird es künftig an besonders vollen Abenden Fegepausen geben - dann sollen ganze Straßen kurzfristig zum Saubermachen gesperrt werden. Auch das Schließen von Straßen wegen Überfüllung ist möglich. Grund: Amsterdam werde vor allem nachts ein »Dschungel«, stellte der städtische Ombudsmann unlängst fest.

Von einem »Dschungel« mag man auf dem Münchner Oktoberfest zwar nicht sprechen. Doch die Bierzelte auf dem Volksfest sind mit vielen Tausend Besuchern oft so voll, dass Ordner die Eingänge sperren und Warnschilder mit dem Hinweis »Wegen Überfüllung geschlossen« aufhängen. Regelmäßig geschieht das auch schon am ersten »Wiesn«-Tag - manchmal sogar vor der offiziellen Eröffnung, bevor es überhaupt das erste Bier gibt. Wer nur kurz rausgeht und ohne Reservierung an seinen Platz zurück möchte, ist auf einmal in der der Klemme: Argumente wie »Meine Jacke ist drinnen« oder »Meine Freunde warten« können die strengen Ordner kaum erweichen. Zu oft wurde das als Trick benutzt, um wieder in ein überfülltes Zelt zu kommen. dpa/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.