Gaza: Bomben folgen Raketen
Verhandlungen, die es nicht gegeben haben darf
Schon hundertfach hat es das in den vergangenen zehn Jahren gegeben: Palästinensische Kämpfer feuern Geschosse nach Israel, und im Gegenschlag überzieht die israelische Luftwaffe den 360 Quadratkilometer großen Streifen - das ist knapp halb so viel wie die Fläche Hamburgs - mit einem Bombenhagel. So auch erneut am Mittwochabend.
150-mal sollen die Palästinenser über die Grenze gefeuert haben. Die meisten Geschosse fielen auf menschenleeres Gebiet oder wurden abgefangen. Sieben Verletzte soll es gegeben haben. In der Nacht folgte die »Vergeltung« aus Israel; nach dessen Angaben auf »Trainingscamps und eine Waffenfabrik« der Hamas.
»Wir haben nur militärische Ziele angegriffen«, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus am Donnerstag. Tatsache ist, dass in Gaza nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums neben einem Kämpfer eine Frau und ihre einjährige Tochter getötet wurden. Neun Personen wurden verletzt. Dazu gab es von Conricus dem Vernehmen nach nur ein Schulterzucken. An Zynismus gebricht es dem israelische Militärapparat nicht.
Die Widerstandsorganisation Hamas bestreitet nicht, dass der Schlagabtausch, wenn man denn das ungleiche Kräftemessen so nennen sollte, wie zumeist auch diesmal von ihr ausging. Ihrem Sprecher war es am Donnerstag wichtig zu betonen: »Diese Eskalation ist aufgrund von internationaler und regionaler Vermittlung vorbei.« Gazas »Vereinigung für den bewaffneten Widerstand« wollte damit ausgedrückt wissen, man habe an dritter Stelle, in Kairo, mit Vertretern Israels eine Feuereinstellung ausgehandelt.
Vermutlich hat das auch so ähnlich stattgefunden. Dargestellt wird es freilich von beiden Seiten seh unterschiedlich. Entgegen dem mit Nachdruck nicht nur von Israel, sondern überhaupt im Westen verbreiteten Diktum, bei der Hamas handele es sich um eine Terrororganisation, die Israel vernichten wolle, wäre bei einem Minimum an gutem Willen schnell erkennbar, dass die Hamas Verhandlungen mit Israel will. Dort ist man schon lange realistisch genug zu wissen, dass man die stärkste Militärmacht des Nahen Ostens nicht mit handgemachten Granaten und brennenden Reifen in die Knie zwingen kann.
Doch die Hamas ist international als terroristische Organisation eingestuft, auch von Deutschland, und so macht es sich Israel, dessen Auftreten gegenüber Gaza ganz real nichts anderes ist als Staatsterrorismus einfach und sagt: Mit Terroristen verhandeln wir nicht. Zwar haben auch israelische Medien am Donnerstag von Verhandlungen über eine langfristige Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel berichtet, aber die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu verweigert eben jede Bestätigung. Aus schlechtem Grunde. Täte man es, wäre das bequeme Stigma von der »terroristischen Hamas« auch kaum aufrecht zu erhalten. So aber heißt es noch immer in Jerusalem: Ja, Verhandlungen vielleicht, aber nicht mit der Hamas.
Vor einem Vierteljahrhundert wurde diese Taktik genauso gegenüber der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und ihrem Vorsitzenden Yasser Arafat praktiziert. Verhandlungen schon, aber nicht mit Arafat, verkündete seinerzeit der israelische Ministerpräsident Yitzhak Shamir, er selbst auch damals noch in Großbritannien wegen Morden auf der Terror-Fahndungsliste. Internationaler Druck bewirkte Anfang der 90er Jahre, dass diese Ächtung der PLO nicht aufrecht zu erhalten war. Aber die Kräfteverhältnisse haben sich seitdem zuungunsten der Palästinenser verändert.
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