Leichtathleten kämpfen ums Olympiastadion

Weil Fußballklub Hertha BSC die Arena missfällt, könnten der traditionsreiche Ort und die schnelle blaue Bahn bald Geschichte sein

  • Nikolaj Stobbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Diskuswerfer Robert Harting zum letzten Versuch antritt, hält es die meisten Zuschauer nicht mehr auf ihren Sitzen. Die Stimmung kocht, die EM erlebt einen ihrer gut geplanten Höhepunkte. Und das Berliner Olympiastadion beweist, dass es eine richtig gute Leichtathletikarena sein kann. Nur wie lange noch?

Grund für die Ungewissheit ist der Hauptmieter: Hertha BSC. Der Fußball-Bundesligist fühlt sich in dem Stadion nicht mehr wohl, da die Riesenschüssel oft nur zur Hälfte gefüllt ist. Der Klub will ausziehen oder hofft auf einen Umbau, dem die blaue Laufbahn zum Opfer fallen könnte. Damit wäre das Aus der Leichtathletik in der Arena besiegelt.

Die Athleten schlagen Alarm. Mit der Verbannung aus dem Olympiastadion würde ihrer Sportart in Deutschland die letzte Großarena genommen werden, die Schauplatz für eine WM sein kann. »Die Kernsportart der Olympischen Spiele aus dem Olympiastadion zu verbannen, ist das Dümmste, was man machen kann«, sagte Sprinterin Gina Lückenkemper nach ihrer Silberparty auf der blauen Bahn über 100 Meter.

Zuletzt wurde zwischen Hertha und dem Berliner Senat auch ein Umbau erörtert, der den Wegfall der Laufbahn vorsieht. Für große Leichtathletikevents könnte diese aber temporär wieder installiert werden. Ein Ansatz, dem auch Diskus-Ass Harting einiges abgewinnen kann. »Wir sind doch ein Land der Ingenieure. Warum kriegt man keine Multifunktionsarena hin. Sollen sie doch die Köpfe zusammenstecken«, sagte der Berliner über die Stätte seines WM-Triumphs 2009.

In der Tat hängen viele Leichtathleten an der Arena, die historisch eine besondere Bedeutung hat. 1936 gewann dort der dunkelhäutige Jesse Owens zum Verdruss der Nazi-Gastgeber vier Mal olympisches Gold, 2009 bei der WM stürmte Usain Bolt zu seinen beiden Fabelweltrekorden über 100 und 200 Meter, die heute noch Bestand haben.

Doch die EM-Organisatoren müssen auch feststellen, dass es nicht so einfach ist, ein solch riesiges Stadion mit fast 75 000 Plätzen bei einer EM zu füllen. Auch bei Hartings Abschied blieben viele Reihen im weiten Rund frei, dennoch schwärmten die Athleten. »Es war noch deutlich besser als 2009. Es war wunderschön«, sagte Harting.

Doch auch das Olympiastadion ist bei einer solchen EM nicht vor Pannen geschützt. Höhepunkt der Misere war am Mittwochabend der Weitsprung der Männer, bei dem mehrfach falsch gemessen wurde. »So etwas habe ich noch nicht erlebt«, sagte Silbermedaillengewinner Fabian Heinle. »Ich wusste lange nicht, welchen Platz ich belegt hatte«, berichtete Heinle, der erfolgreich Protest einlegte. Am Ende blieb es für ihn bei Platz zwei. »Das ist fatal, dass gleich bei mehreren Athleten Fehler passiert sind. Das ist ein unsäglicher Zustand«, sagte DLV-Bundestrainer Uwe Florczak der Tageszeitung »Die Welt«.

Ein wenig sind die Macher dieser Europameisterschaften auch zu einem Opfer des Innovationswahns geworden. »Ganz ehrlich, ein einfaches Bandmaß wäre mir lieber. Aber zumindest das Stecken des Abdrucks wie beim Speerwurf oder Diskus wäre schon ein Fortschritt«, sagte Florczak. Schuld war am Ende das Videomesssystem, das mehrfach falsche Weiten angezeigt hatte. SID/nd

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