Rumänen demonstrieren gegen Korruption

Mehr als 450 Verletzte nach massivem Polizeieinsatz / Präsident Iohannis kritisiert Vorgehen

  • Mihaela Rodina, Bukarest
  • Lesedauer: 3 Min.

In Rumänien haben am Wochenende Zehntausende Menschen gegen die Regierung in Bukarest und die Korruption im ganzen Land protestiert. Am Sonnabendabend machten Tausende Demonstranten ihrer Wut über das Vorgehen der Polizei Luft, die am Vorabend massiv gegen Teilnehmer einer Großkundgebung von Regierungskritikern in der Hauptstadt vorgegangen war. Bei der Demonstration am Freitag waren mehr als 450 Menschen verletzt worden.

Die Polizei hatte die Kundgebung, an der Medienberichten zufolge bis zu 80 000 Menschen teilgenommen hatten, mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Es gab rund 30 Festnahmen. Viele der Demonstrationsteilnehmer waren im Ausland lebende Rumänen, die eigens für die Proteste in ihre Heimat gereist waren. An der Demonstration am Samstagabend nahmen Medienberichten zufolge rund 30 000 Menschen teil. Sie versammelten sich in Bukarest und skandierten »Nieder mit der Regierung« und »Gerechtigkeit, nicht Korruption«.

»Ich bin gekommen, nachdem ich im Fernsehen gesehen habe, was am Freitag passiert ist«, sagte etwa die 64-jährige Floarea Toader. »Meine Kinder arbeiten in Spanien und sie würden gerne zurückkommen«, erzählte sie. Das sei aber nicht möglich wegen der Politiker, »die nur an sich selbst interessiert sind und nichts für andere tun«. In den vergangenen 15 Jahren sind rund vier Millionen Rumänen auf der Suche nach besseren Perspektiven ins Ausland gegangen. Der Durchschnittslohn in dem armen EU-Land liegt bei 520 Euro.

»Wir konnten nicht mehr atmen und mussten in Seitenstraßen flüchten«, berichtete die 22-jährige Madalina, die in Großbritannien arbeitet, über den Tränengaseinsatz vom Freitag. Sie habe Rumänien wegen der niedrigen Löhne und des »Desinteresses« der Regierung an den jungen Leuten verlassen.

Der junge Demonstrant Ionel, der nach dem Einatmen von Tränengas keine Stimme hatte, schrieb auf ein Blatt Papier, warum er am Samstagabend nochmals zum Siegesplatz im Stadtzentrum gekommen war: »Rücktritt der Regierung«, fasste er seine Forderung zusammen.

Die regierenden Sozialdemokraten wollen die Gesetze zur Korruptionsbekämpfung lockern und das Justizsystem umbauen. Kritiker werfen der Regierung vor, dadurch die Tür für noch mehr Korruption in Rumänien zu öffnen, das ohnehin als eines der korruptesten EU-Länder gilt.

Präsident Klaus Iohannis, der mit der Regierung politisch über Kreuz liegt, kritisierte das Vorgehen der rund 1000 Polizisten am Freitagabend als »unverhältnismäßig«. Die Polizei dagegen bezeichnete ihren gewaltsamen Einsatz als »angemessene« Reaktion auf gewalttätige Demonstranten. Ministerpräsidentin Viorica Dancila warf Iohannis vor, die Bevölkerung gegen die Behörden »aufzuhetzen«.

Treibende Kraft hinter den Gesetzesänderung ist der Parteichef der regierenden Sozialdemokraten, Liviu Dragnea. Infolge einer Verurteilung wegen Wahlbetrugs durfte Dragnea selbst nicht das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen. Er gilt aber als der eigentliche starke Mann der Regierung.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte im Kurzbotschaftsdienst Twitter »die gewaltsamen Zusammenstöße« in Bukarest. Kurz, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, verwies zudem auf die »Grundfreiheiten der EU«, zu denen auch freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit gehörten. Auch die Europäische Union mahnt Rumänien regelmäßig zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen die Korruption. AFP/nd

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