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Die erfolgreichste Leichtathletikfamilie
Zwei weitere deutschen Goldmedaillen stimmen den DLV-Präsident positiv, ein junger Norweger sorgt für Furore
Noch bevor am Sonntagabend die letzten Finals der Leichtathletik-Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion über die Bühne gingen, war für Jürgen Kissing schon klar: »Es ist ein Sommermärchen, nicht nur für die deutsche Leichtathletik, sondern für die ganze Sportart!« Wäre der Sonnabend auf der blauen Bahn etwas anders gelaufen, wäre vielleicht auch das Fazit des Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) etwas weniger euphorisch ausgefallen. Aber durch die zwei durchaus überraschenden Goldmedaillen von Hochspringer Mateusz Przybylko und Weitspringerin Mailaka Mihambo fand sich der DLV plötzlich in der europäischen Spitze wieder - mit bis dahin fünf EM-Titeln auf Platz zwei der Medaillenwertung hinter der polnischen Mannschaft.
Przybylko hatte einen perfekten Wettkampf gezeigt. Sechs Sprünge benötigte der 26-jährige Bielefelder bis zum EM-Gold: Von der Anfangshöhe von 2,19 Meter bis zum Siegsprung über 2,35 Meter meisterte er alles im ersten Versuch. Als sein einzig verbliebener Konkurrent, Maksim Nedasekau aus Belarus, seinen letzten Versuch gerissen hatte, schrie Przybylko seine ganze Anspannung und Freude heraus. Danach ließ er die Latte noch auf 2,38 Meter legen, beließ es aber einem gerissenen Versuch, seine persönliche Bestleistung um drei Zentimeter zu steigern. Später, nach weiteren Jubelarien, sagte er: »Ich habe fast keine Stimme mehr.«
Nur neun Minuten nach Przybylkos Goldmedaille konnte das Berliner Publikum eine weitere feiern. Weil die Britin Shara Proctor nach ihrem letzten Anlauf nur bei 6,70 Meter landete und damit hinter der Ukrainerin Maryna Bekh (6,73) Dritte wurde, konnte Malaika Mihambo noch vor ihrem sechsten Weitsprung vor Freude in die Höhe hüpfen. Allerdings hatte es die 24-Jährige aus Heidelberg etwas spannender gemacht als Przybylko. Nach zwei Versuchen lag sie mit 6,36 Metern nur auf Rang zehn und drohte auszuscheiden. Dann aber katapultierte sie sich im dritten Versuch nervenstark vom Balken ab: 6,75 Meter. »Fliegen ist etwas Schönes«, beschrieb sie danach ihr Gefühl beim Siegsprung.
Aber Jürgen Kissing meinte nicht nur die sportlichen Leistungen. Begeistert war der DLV-Präsident auch von der Stimmung im Olympiastadion. Die Zuschauer hatten am Sonnabend auch ihr Bestes gegeben. 60 500 waren gekommen - und feuerten enthusiastisch auch Athletinnen und Athleten anderer Nationen an. Im 5000-Meter-Lauf der Männer rannten die deutschen Starter Florian Orth und Marcel Fehr von Beginn an hinterher. Vorn bestimmten zwei Norweger das Tempo: Jakob und Henrik Ingebrigtsen. Als es in die entscheidende Phase ging, tobte das Stadion. Nicht nur, weil zwei Brüder vorn und sich am Ende auch im Ziel als Erster und Zweiter in den Armen lagen. Sondern auch, weil der erst 17-Jährige Jakob Ingebrigtsen für so viel Furore sorgt. Er hatte schon den Titel über 1500 Meter gewonnen. Nach dem Sieg über 5000 Meter lobte sein Bruder Henrik: »Er ist so routiniert gelaufen, als wäre er zehn Jahre älter als alle anderen.« Die Ingebrigtsens sind jetzt wohl die erfolgreichste europäische Leichtathletikfamilie: Henrik wurde 2012 Europameister über 1500 Meter, Filip gewann vier Jahre später über dieselbe Distanz EM-Gold und Jakob wird nach seinen ersten beiden Titeln wohl noch weitere gewinnen.
Einen besonderen Moment erlebte Sandra Perkovic. Die Kroatin hatte nur einen wirklich guten Versuch. Mit dem schleuderte sie den Diskus aber auf 67,62 Meter und verwies damit die deutschen Werferinnen Nadine Müller, Shanice Craft und Claudine Vita auf die Plätze zwei, drei und vier. Für Perkovic war es der fünfte Europameistertitel in einer Disziplin seit 2010 in Serie - so etwas gelang vor ihr keiner anderen Athletin, auch keinem Athleten. Ihre Ausnahmestellung untermauerte auch die Britin Dina Asher-Smith. Nach EM-Gold über 100 Meter sprintete sie auch über die doppelte Distanz in der Jahresweltbestzeit von 21,89 Sekunden zum Sieg.
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