- Politik
- Göteborg
Vermummte zünden in Schweden über 100 Autos an
Koordiniert randalierende Gruppen in Göteborg und Trollhättan unterwegs / Rechte geben migrantischen Jugendlichen die Schuld
Stockholm. Vermummte haben in der Nacht zum Dienstag im Südwesten Schwedens Dutzende Autos in Brand gesetzt und die Polizei angegriffen. Nach Medienberichten wurden allein in Göteborg mindestens 88 Fahrzeuge zerstört oder schwer beschädigt, in Trollhättan weiter nördlich spielten sich in der Nacht ähnliche Szenen ab. Dort seien Polizisten mit Steinen beworfen worden. Auch aus Lysekil und Falkenberg wurden brennende Fahrzeuge gemeldet.
Polizei und Feuerwehr waren im Großeinsatz. »Wir waren an etwa 20 (Brand)Orten in Göteborg«, sagte Johan Eklund, Einsatzkoordinator der Rettungsdienste in Göteborg. Die Polizei wollte nach Angaben von Sprecherin Ulla Brehm eine koordinierte Aktion nicht ausschließen.
Augenzeugen berichteten von vermummten, schwarz gekleideten Jugendlichen, die die Fahrzeuge in Brand gesetzt hatten. Die Vermummten liefen in kleinen Gruppen von Auto zu Auto, schlugen die Scheiben ein, kippten brennbare Flüssigkeit in die Fahrzeuge und zündeten diese an. Es habe keine Verletzte gegeben, berichtete »Aftonbladet«. Zunächst sei auch niemand festgenommen worden. Schwedens sozialdemokratischer Regierungschef Stefan Löfven verurteilte die Brandserie scharf. »Was zum Teufel tut ihr da?«, fragte er im schwedischen Radio. Der Vorfall habe »sehr koordiniert« gewirkt, »fast wie eine Militäraktion«, fügte er hinzu.
Über die Hintergründe lagen zunächst keine Erkenntnisse vor. Die Polizei wollte die Zwischenfälle vorerst nicht kommentieren, ein Mitarbeiter der Sicherheitskräfte in Göteborg sprach jedoch von einer »beängstigenden Lage«. Die Polizei gab an, sie habe mehrere Leute in Verbindung mit den Bränden identifiziert, die vermutlich über die sozialen Medien geplant worden seien. Die Behörden teilten mit, es seien bisher keine Verdächtigen festgenommen worden.
Das Anzünden von Autos ist in dem skandinavischen Land weit verbreitet. Allein in den Vororten der Hauptstadt Stockholm werden fast täglich Autos abgefackelt. 2017 wurden nach Angaben der schwedischen Zivilschutzbehörde 1457 Autos in Schweden absichtlich in Brand gesetzt. 2016 waren es demnach 1641.
Linke Aktivisten aus Göteborg gaben gegenüber »nd« an, bisher gebe es nur »wilde Spekulationen« über die Urheber, keine davon könne bisher bestätigt werden. Die Gerüchte und Spekulationen gehen entweder von einer Racheaktion des organisierten Verbrechens gegen die Polizei aus, mutmaßen über eine russische Destabilisierungsaktion bis hin zu von Rechten bezahlten Jugendlichen, die mit der Aktion Stimmung gegen Migranten machen sollen. Immer wieder gebe es im Sommer in Göteborg einzelne Brandstiftungen an Autos durch Jugendliche oder Versicherungsbetrug durch das Anzünden von Autos. Das koordinierte Vorgehen bei den Vorfällen Dienstagnacht unterscheide sich aber deutlich davon.
Trotz der dünnen Faktenlage ließen es sich rechte Gruppen im Internet nicht nehmen, junge Migranten für die Taten verantwortlich zu machen. Dies ist wohl auch als Versuch zu werten, auf die am 9. September stattfindenden Parlamentswahlen Einfluss zu nehmen. Besonders die rechtspopulistischen Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten) versuchen, mit dem Thema Migration und innere Sicherheit zu punkten. Aktuelle Wahlumfragen bescheinigen der Partei Chancen, sogar stärkste Kraft vor den regierenden Sozialdemokraten zu werden. Diese bilden momentan eine Minderheitsregierung mit den Grünen. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.