Polizei braucht keine Handgranate

Die LINKE wartet ab, ob der Innenminister seinen Gesetzentwurf tatsächlich entschärft

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Erfreut« nimmt die LINKE-Landesvorsitzende Anja Mayer zur Kenntnis, dass Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) nun offenbar bereit ist, einzulenken. Der Innenminister hatte einen umstrittenen Entwurf für ein neues Polizeigesetz vorgelegt. Darin fanden sich explosive Dinge - sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne -, Dinge, denen die LINKE nicht zustimmen konnte und wollte, so der Einsatz von Handgranaten gegen Personen. Doch das ist nur ein Beispiel. Schleierfahndung, elektronische Fußfessel und Onlinedurchsuchung lauten die Stichworte.

Für die Sozialisten sei es »undenkbar«, dass die Ausweitung polizeilicher Befugnisse dazu führe, dass anlasslos WhatsApp-Nachrichten und private Kalender auf dem Smartphones der Bürger durch die Beamten durchforstet werden können, hatte Anja Mayer klargestellt. Der Streit ging so weit, dass die LINKE nicht einmal mehr ausschließen konnte, dass es wegen dieser Angelegenheit zu einem Bruch der rot-roten Koalition und zu einer vorgezogenen Neuwahl kommt.

Doch nun signalisierte Innenminister Schröter Kompromissbereitschaft. Reagiert werden soll auf die Kritik an der Schleierfahndung, die künftig anlasslos im gesamten Bundesland möglich sein sollte und nicht nur in einem Streifen von 30 Kilometern an der polnischen Grenze. Man wolle diese Schleierfahndung nun doch nur auf einzelne Straße ausweiten, erklärte Schröter im Interview mit der »Märkischen Allgemeinen«.

»Es gibt deutliche Differenzen«, bestätigt der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE). »Aber ich bin der Auffassung, dass es möglich ist, sich auf eine Fassung zu einigen.« In der vorliegenden Form könne die LINKE dem Gesetz nicht zustimmen, aber man könne sich über Änderungen verständigen. »Wir sind gesprächsbereit«, sagt Scharfenberg. »Dass die Online-Durchsuchung mit uns nicht zu machen ist, das ist klar.« Doch in einigen anderen Fragen könne man sich aufeinander zubewegen.

SPD und LINKE verhandeln bereits über die Details der Polizeigesetznovelle. Dabei ist nun die Frage, inwieweit der Innenminister der Linkspartei tatsächlich entgegenkommt und die Rechte der Bürger beispielsweise auf ihre Privatsphäre und den Schutz ihrer Daten beachtet. »Ich will sehen, was auf dem Tisch liegt, und dann entscheiden«, sagt die Landesvorsitzende Mayer. Sie kann noch nicht einschätzen, ob ihrer Partei ausreichen wird, was Schröter an Korrekturen am Entwurf vornimmt. Einigen muss Schröter sich insbesondere mit Justizminister Stefan Ludwig (LINKE), der bereits erfolgreich darauf gedrungen hatte, dass bestimmten Überwachungsmaßnahmen ein Richter zustimmen müsse.

Auch Finanzminister Christian Görke und Sozialministerin Diana Golze (beide LINKE) lehnten den Gesetzentwurf ab, Görke auch unter Hinweis auf 100 zusätzliche Stellen, die die Polizei für die Ausspähung benötigen würde.

Als Polizist hätte man gern alle möglichen Befugnisse, die es erleichtern, Straftaten aufzuklären, bestätigt Andreas Schuster, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). »Aber wir leben nicht in einem Bürgerkriegsland. Wir wollen eine Polizei in einem Rechtsstaat sein.« Die GdP sei dagegen, Sprengmittel gegen Personen einzusetzen. »Wir brauchen weder Handgranaten noch Panzerfäuste.«

Bei den Bodycams, an der Uniform getragenen, kleinen Videokameras, gebe es unterschiedliche Ansichten. Schuster erzählt: Viele Kollegen möchten eine Bodycam verwenden, aber einige fragen auch genervt: »Was sollen wir noch alles mit uns herumschleppen?« Fakt sei aber, wenn Polizisten zu einem Familienstreit gerufen werden, müssen sie die Kamera aus rechtlichen Gründen an der Wohnungstür ausschalten, obwohl sie gerade diese Aufnahmen später gebrauchen könnten. »Das ist aber ausgeurteilt«, sagt Schuster. Da lasse sich nichts machen. Richtig findet der GdP-Chef den Ansatz des Innenministers, dass Aufnahmen von der Videoüberwachung öffentlicher Plätze länger aufgehoben werden dürfen. Bislang müssen sie in Brandenburg bereits nach 48 Stunden gelöscht werden. Doch Bürger, die vor einer Zugreise ihr Auto oder ihr Fahrrad im Vertrauen auf die Videoüberwachung am Potsdamer Hauptbahnhof abgestellt haben, merken manchmal erst nach Tagen, dass Fahrzeug oder Fahrrad beschädigt oder gestohlen sind. Dann sind die Videobilder, auf denen der Täter möglicherweise zu erkennen war, bereits gelöscht. Ob die Aufnahmen allerdings wirklich zwei Wochen lang aufgehoben werden sollten, das ist für Schuster noch die Frage. Es werden natürlich Fälle genannt, wo die Diebstahlsopfer drei oder vier Wochen im Sommerurlaub waren. Entscheidend sei aber die Frage, mit welcher Frist man die Masse der Fälle abdecke. Das müsse man untersuchen und einen am Ergebnis orientierten Kompromiss finden, meint Schuster. Kommentar Seite 4

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