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Die Verfehlungen von Volker Bouffier

Linksfraktion im hessischen Landtag erhebt schwere Vorwürfe gegen Regierungschef bei NSU-Ermittlungen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

In der kommenden Woche wird der hessische Landtag den Bericht des Untersuchungsausschusses zur Neonaziterrorbande NSU und die Sondervoten der Oppositionsfraktionen debattieren. Während die schwarz-grüne Landesregierung Hessens, die auch die Mehrheit im Ausschuss stellt, den offiziellen Abschlussbericht als umfassende Darstellung der Aufklärungsarbeit darstellt, begründet die Linksfraktion in einem 250 Seiten langen Papier ihr Sondervotum. Im Zusammenhang mit dem NSU-Mord an dem Kasseler Internetcafébetreiber Halit Yozgat im Frühjahr 2006 übt die LINKE viel Kritik am Verhalten des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) und des heutigen Regierungschefs Volker Bouffier (CDU).

Bouffier war damals als Innenminister für den Inlandsgeheimdienst und die Landespolizei zuständig. Er hat nach Überzeugung der Linksfraktion in den Wochen nach dem Kasseler Mord mehrfach die Unwahrheit gesagt, die Ermittlungen persönlich und ohne rechtswirksame Abwägung behindert und seine schützende Hand über den damaligen LfV-Mitarbeiter Andreas Temme gehalten. Dieser saß offensichtlich zum Tatzeitpunkt in Halit Yozgats Internetcafé, was er lange bestritt. Er dürfte die tödlichen Schüsse gehört haben, meldete sich aber nicht als Zeuge, geriet selbst unter Tatverdacht und verschweigt bis heute sein Wissen über die Tat. Temme »kann es nicht gewesen sein. Daraus kann man auch ableiten, dass der Mann unschuldig ist«, behauptete Bouffier im Juni 2006 im Landtagsinnenausschuss.

Bouffier und die Spitze des LfV hätten schwere Dienstverfehlungen Temmes gezielt vertuscht sowie durch eine fragwürdige Sperrung der V-Leute die polizeiliche Aufklärung des Kasseler NSU-Mordes erheblich behindert und »Quellenschutz über Mordermittlung gestellt«, so der Abgeordnete Hermann Schaus am Mittwoch vor Journalisten in Wiesbaden. Zudem seien noch Monate nach dem Mord gegen die Opferfamilie Yozgat rechtswidrige verdeckte Ermittlungen gelaufen. Man habe sie »teilweise so behandelt, als wären sie keine trauernden Angehörigen und Zeugen, sondern Tatverdächtige«, heißt es im Minderheitsvotum.

Schon ein Teil der Vorwürfe an die Adresse Bouffiers hätte in anderen Bundesländern bereits Rücktritte ausgelöst. »Doch bei der traditionell stramm konservativen Hessen-CDU gelten andere Maßstäbe. Bouffier sitzt es aus«, erklärte Schaus. Zu den hessischen Besonderheiten gehört auch, dass sich CDU und Grüne bei dem von Linksfraktion und SPD im Jahr 2014 beantragten Beschluss zur Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses der Stimme enthielten. In anderen Parlamenten war dies einstimmig erfolgt. Die schwarz-grüne Mehrheit habe mit Verzögerungen und oft lückenhaften, massiv geschwärzten oder zur Geheimsache erklärten Akten die Aufklärung gebremst, Bouffiers Verantwortung zu verschleiern versucht und schwere Fehlleistungen im Kampf gegen rechte Gewalt unter den Teppich gekehrt, so die Kritik.

Aus einem im Sondervotum dokumentierten Papier, das bisher als geheim galt, geht hervor, dass LfV und Innenministerium nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 Anweisungen zur Vernichtung von Spuren und Akten gaben und einen V-Mann in der Szene auf seine Zeugenvernehmung durch das Bundeskriminalamt (BKA) vorbereiteten. Ein weiteres Dokument zeigt, wie 2014 für den brisanten »Abschlussbericht« zum NSU im LfV eine 120-jährige Geheimhaltungsfrist verhängt wurde.

»Der Ausschuss war wichtig und hat mehr Wissen über die Arbeitsweise des LfV zu Tage gefördert«, sagte die Linksfraktionsvorsitzende Janine Wissler. »Erstmals überhaupt mussten sich leitende Mitarbeiter des Amts rechtfertigen.« Über V-Leute seien öffentliche Gelder in die Neonaziszene geflossen, so die Abgeordnete, die vor dem »Irrglauben« warnte, dass Nazis jemals den Staat wahrheitsgemäß über die Gefahren der rechten Szene informierten.

Die ebenfalls oppositionelle SPD-Fraktion wird ihr 200 Seiten starkes Sondervotum zum NSU-Ausschuss in den kommenden Tagen veröffentlichen.

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