In Südthüringen hat sich ein »gewisses Ökosystem« für Nazis entwickelt

Innenminister Georg Maier (SPD) über den Umgang mit Rechtsrockkonzerten

  • Dirk Löhr
  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Das beschauliche Mattstedt im Weimarer Land erwartet am Wochenende Tausende Neonazis zu einem Rechtsrockkonzert. Da es als politische Versammlung angemeldet wurde, hat ein Verbot kaum Aussicht auf Bestand bei der Prüfung durch ein Gericht, sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er setzt für die Veranstalter auf harte Auflagen. Ihre strikte Durchsetzung soll helfen, den Rechtsrockkonzerten ihre Attraktivität zu nehmen.

Warum dürfen immer wieder Rechtsrockkonzerte mit tausenden Neonazis in Thüringen über die Bühne gehen?

Zur Person
Georg Maier (SPD) ist seit August 2017 Innenminister von Thüringen.

Da ist eine Plage, die nicht nur uns trifft, wenn man zum Beispiel an das Konzert im sächsischen Ostritz denkt. Aber in dem Ausmaß wie hier, immer wieder mit Tausenden Besuchern, ist das Problem in unserem Bundesland besonders groß. Das liegt auch an unserer Lage. Rechtsextreme, selbst wenn sie von weit her kommen - und das trifft auf sehr viele der Konzertbesucher zu - finden wegen seiner zentralen Lage in Deutschland und Europa schnell nach Thüringen.

Die geografische Lage ist das eine, aber hat sich nicht gerade in Südthüringen mit den Jahren eine starke rechte Szene etabliert?

Ein gewisses Ökosystem, in dem sich Rechtsextreme eingerichtet haben, lässt sich nicht bestreiten. Sie verfügen über eigene gastronomische Einrichtungen und haben Zugriff auf Veranstaltungsorte wie eben die Wiese in Themar. Um hier gegenzusteuern, braucht es einen langen Atem. Nicht nur auf Seiten des Staates und der Behörden, hier muss auch mehr zivilgesellschaftliches Engagement wachsen.

Warum werden diese Konzerte nicht verboten?

Weil es rechtlich nicht möglich ist. Diese Konzerte tarnen sich als politische Versammlungen. Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein so hohes Gut, dass die Gerichte Verbote in der Regel aufheben. Das ist nicht leicht zu akzeptieren, auch ich habe da dazulernen müssen. Es ist und bleibt perfide, dass die, die sich auf die Versammlungsfreiheit berufen, genau diese als erstes abschaffen würden, bekämen sie die Chance dazu.

Viele Mattstedter sagen, das sind doch Nazis...

... was ja auch stimmt. Aber das reicht nicht, um die Konzerte zu verbieten. Was wir tun können, ist mit Auflagen an die Versammlung und ihrer strikten Durchsetzung Rechtsrockkonzerten ihre Attraktivität zu nehmen. Das tun wir.

Was für Auflagen sind das?

Diese Frage will ich nicht öffentlich beantworten, damit sich die Rechtsextremen nicht darauf einstellen können. Nur so viel: Wir haben noch einige Pfeile im Köcher.

Mit wie vielen Rechtsextremisten rechnen Sie in Mattstedt?

Es werden voraussichtlich wieder mehrere Tausend sein.

Und wie viel Gegendemonstranten werden erwartet? Wie viele Polizisten kommen zum Einsatz?

Zur Anzahl der Beamten möchte ich aus einsatztaktischen Überlegungen nichts sagen. Aber es werden genügend sein. Mehrere Bundesländer habe uns ihre personelle Unterstützung zugesagt. Es sind auch Spezialkräfte eingeplant, die sofort eingreifen, sollten zum Beispiel indizierte Lieder gespielt werden. Was das zivilgesellschaftliche Engagement angeht, hoffe ich, es werden deutlich mehr Gegendemonstranten als zuletzt in Themar. Mattstedt ist nicht so weit von Thüringens großen Städten entfernt. Und auch die Kirche ruft wieder zum friedlichen Protest auf. Dafür bin ich dankbar. epd/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.