Griechenland gerettet?
Internationale Presse
De Tijd, Belgien
Was helfen würde
Die Krise ist nicht grundlegend überwunden. Es ist schwer vorstellbar, dass Griechenland die Lücke zu den stärkeren Ländern der Eurozone bei den Staatsfinanzen, der Inflation, der Arbeitslosenquote und vor allem bei der Produktivität schließen kann. Wenn die Wirtschaftsleistung des Landes aber weiter hinter derjenigen der anderen Euro-Mitgliedstaaten zurückbleibt, wird dies unweigerlich zu neuen Problemen in der Eurozone führen. Dagegen gibt es ein Mittel: Den Transfer ausreichend großer Finanzmittel aus den starken Ländern der Eurozone in die schwächeren. Derzeit scheint das jedoch ein utopisches Szenario zu sein.
Takungpao, China
Nichts zu feiern
Nach acht Jahren strenger Sparpolitik und drei Hilfspaketen ist Griechenlands Finanzkrise symbolisch zu Ende gegangen. Athen hat seine finanzielle Souveränität zurückgewonnen. Ministerpräsident Tsipras sprach gar von einem historischen Moment. Bei den Bürgern jedoch ist keine Euphorie zu erkennen. Sie sitzen weiter auf ihren Problemen. Wenn die Mindestrente auf 200 Euro monatlich und das durchschnittliche Einkommen um 20 Prozent gefallen sind, aber gleichzeitig die Umsatzsteuer auf 29 Prozent angehoben wird, haben die Menschen in der Tat nichts zu feiern. Athens wichtigste Aufgabe heißt noch lange: Kampf gegen die Armut.
Times, Großbritannien
Sparpolitik war nötig
Für Griechenland gab es keine Alternative zur Sparpolitik der vergangenen Jahre. Sparpolitik ist an sich kein wünschenswertes Ziel, aber manchmal einfach notwendig. Griechenland hat viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Das hat 2009 zu einer Staatschuldenkrise geführt, die sich auf andere Mitglieder der Eurozone ausbreitete. Ungeachtet eines kurzen Flirts mit dem Hirngespinst einer sozialistischen Volkswirtschaft hat Griechenland seine Ausgaben entschlossen in Einklang mit seinen Einnahmen gebracht. Es gab keinen anderen realistischen Weg.
Neue Zürcher Zeitung, Schweiz
Staat bleibt pleite
Dieser Staat ist und bleibt pleite. Dass sich diese Tatsache derzeit bequem unter den Teppich kehren lässt, liegt an der Großzügigkeit der europäischen Geldgeber, die bis 2032 auf die Tilgung ihrer Forderungen verzichten. Das Schuldenproblem ist somit nur auf die lange Bank geschoben. Der Internationale Währungsfonds ist sich dieser unbequemen Wahrheit bewusst. Europas Geldgeber hingegen fürchten den Groll des Wahlvolks und gestehen nicht ein, dass die vermeintlichen Kredite wohl eher Zuschüsse sind. Die Rechnung wird erst später präsentiert.
Birgün, Türkei
Eine Demütigung
Ist in Griechenland jetzt alles in Ordnung? Um es klarzustellen: Dieser Rettungsschirm ist eine einzige Demütigung. Er hat eigentlich nur den kleinen Leuten viel abverlangt. Der Mindestlohn wurde gekürzt, geltende Tarifverträge wurden abgeschafft. Tausende Beschäftigte haben ihren Job verloren. Mit diesem Sparpaket ist das Land noch ärmer geworden. Dennoch kann Griechenland jetzt seine Schulden an die ausländischen Banken zurückzahlen. Das war auch das, was die Troika bezweckt hatte. Und jetzt versteht man besser, dass in Griechenland eigentlich gar nichts in Ordnung ist.
Der Standard, Österreich
Schluss mit Feindbildern
Jetzt muss Schluss sein mit den Nord-Süd-Feindbildern in der EU. Acht Jahre Sparprogramme haben nationale Feindbilder in Europa entstehen lassen und verstärkt. Ja, der Norden hat Milliardenkredite für Südeuropa in der Krise lockergemacht. Doch der Norden profitiert genauso wirtschaftlich von den südlichen Ländern, etwa in Form des jahrelangen enormen Exportüberschusses Deutschlands. Zudem stellt sich mit den Niederlanden ein nordeuropäisches Land für global tätige Unternehmen wie Google und Starbucks als Steueroase zur Verfügung und saugt so immense Einnahmen ab. Wenn Europa die Wirtschaftskrise auch politisch hinter sich lassen will, muss mit den Feindbildern und Stereotypen Schluss sein.
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