Maduro macht in Optimismus

Venezuelas Präsident trotz Auswanderungswelle von seinem Reformpaket überzeugt

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Stimmung scheint zu kippen. Angesichts der anhaltend hohen Zahl emigrierter Venezolaner regt sich in den Nachbarländern zunehmend Unmut. Sinnbildlich dafür ist die Meldung aus dem brasilianischen Grenzort Pacaraima, wo Mitte August ein wütender Mob mehr als 1000 Geflüchtete zurück über die Grenze gejagt hatte. Auslöser für die fremdenfeindlichen Unruhen war ein Überfall mit mutmaßlich venezolanischer Beteiligung. Doch auch aus Ländern wie Kolumbien, Ecuador oder Peru häufen sich die Beschwerden über venezolanische Einwanderer, die angeblich die Löhne drückten und die Kriminalität ansteigen ließen. Die ecuadorianische Regierung will Mitte September einen Gipfel zur venezolanischen Migration ausrichten, Peru verschärft die Einreisebestimmungen.

Laut den Vereinten Nationen haben seit 2014 aufgrund der Krise bereits 2,3 Millionen Menschen das Land verlassen, darunter viele Fachkräfte und junge Menschen. Und bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Auswanderung verlangsamt oder gestoppt werden könnte.

Für den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro hat das Thema jedoch keine Priorität. Viele, die den »falschen Versprechen« gefolgt seien, würden heute »Klos putzen«, seien »Sklaven und Bettler«, sagte er vergangene Woche. Dabei sind es längst nicht mehr nur Oppositionelle, die das Land verlassen - die Fluchtursachen liegen überwiegend in der desolaten wirtschaftlichen Situation begründet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Inflationsrate für das laufende Jahr mittlerweile auf eine Million Prozent. Ohne direkte Lebensmittelzuwendungen der Regierung kämen viele Menschen nicht annähernd über die Runden.

Bisher lastete die Regierung die schwierige Versorgungslage und die hohe Inflation hauptsächlich einem Wirtschaftskrieg seitens der rechten Opposition und der USA an. Im Vorfeld der IV. Kongresses der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) im Juli wurden jedoch auch selbstkritische Stimmen laut, zu denen Maduro ausdrücklich aufgefordert hatte. So äußerte etwa Freddy Bernal aus der Parteiführung, dass nach 19 Jahren Revolution »nur wir für das Gute und Schlechte verantwortlich« seien.

Mit der am vergangenen Montag gestarteten Währungsreform und weiteren Maßnahmen hat die Regierung nun das sogenannte Programm für wirtschaftliche Erholung, Wachstum und Wohlstand aufgelegt. »Dieser Plan wird funktionieren«, versicherte Regierungschef Maduro. Die meisten Ökonomen sind hingegen skeptisch und fürchten, dass die Regierung erneut die Notenpresse anwirft und so auch die neue Währung rasant an Wert verlieren werde.

Kernstück des Plans ist die Währungsreform. Der neue »Souveräne Bolívar« hat fünf Nullen weniger als der bisherige »Starke Bolívar« und ist an die staatliche Kryptowährung Petro gekoppelt, die als Wertanker wiederum an die venezolanischen Erdölvorräte gebunden ist. Je nach Entwicklung des Erdölpreises verändert sich auch der Wert des Petro, zurzeit liegt er bei 60 US-Dollar. Der Basis-Mindestlohn pro Monat, der zuletzt nur noch etwa einen US-Dollar betrug, wird auf 30 Dollar erhöht und soll nun einem halben Petro entsprechen. Wie mit den den Basis-Mindestlohn ergänzenden Lebensmittelgutscheinen künftig verfahren wird, steht noch nicht fest. Um unmittelbaren Preissteigerungen entgegen zu wirken, übernimmt der Staat für kleinere und mittlere Unternehmen 90 Tage lang die Differenz zum alten Mindestlohn. Steuern und Zölle für staatliche und private Erdölunternehmen werden gesenkt, die Mehrwertsteuer wird unter Ausnahme wichtiger Güter wie Lebensmittel hingegen angehoben.

Ab Ende September soll der Preis für das bisher praktisch gratis erhältliche Benzin schrittweise auf internationales Niveau steigen, auch die Tickets des öffentlichen Nahverkehrs werden künftig deutlich teurer. Die Subventionierung des Benzins kostet Venezuela jährlich zweistellige Milliardenbeträge in US-Dollar, große Mengen werden illegal nach Kolumbien geschmuggelt. Besitzer der carnet de la patria (Karte des Heimatlandes), eines von der Regierung ausgestellten Ausweises, der für den Bezug bestimmter Sozialleistungen erforderlich ist, sollen zukünftig direkt subventioniert werden, um billiges Benzin beziehen zu können.

Zudem werden die seit 2003 bestehenden Devisenkontrollen gelockert. Der Handel mit Fremdwährungen ist demnach nicht mehr strafbar, das bisherige Monopol der Zen-tralbank entfällt. Das ebenfalls seit 2003 gültige System fester Wechselkurse, das zahlreiche Schlupflöcher für Devisenbetrug geschaffen hat, ist von der Liberalisierung hingegen zunächst nicht betroffen. Laut offiziellem Kurs kostete ein US-Dollar diese Woche 60 Bolívares. Auf dem Schwarzmarkt, den die Regierung mit der Währungsreform austrocknen will, bekam man am Donnerstag bereits 75 Bolívares für einen Dollar.

Ob die wirtschaftlichen Maßnahmen wirken oder sich die Lage weiter verschlechtern wird, ist noch nicht absehbar. In den ersten Tagen nach der Währungsreform herrschte zunächst noch verbreitete Unsicherheit in der Bevölkerung. Für Maduro steht viel auf dem Spiel. Zwar ist die rechte Opposition derzeit gespalten und liegt politisch am Boden. Doch der interne Druck könnte bei einer weiteren Verschlechterung der Lage größer werden und Proteste hervorrufen.

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