Konfrontation statt Anbiederung

Martina Renner über den Irrglauben auch bei Linken, weniger Geflüchtete würden weniger Rassismus bedeuten

  • Martina Renner
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu den drängenden Fragen dieser Zeit gehört zweifellos «Was tun gegen Rechts»? Auch Oskar Lafontaine stellt sich diese Frage. In einem Interview mit der «welt» nennt er den «Asylkompromiss» von 1993 als Erfolg versprechendes Beispiel, wie man die Rechte durch Begrenzung von Zuwanderung schwächen könne. Diese Einschätzung ist falsch und gefährlich.

Insbesondere aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien flohen zu Beginn der 1990er Jahre Flüchtlinge vor Krieg und Verfolgung. Ein Konflikt, der maßgeblich durch die einseitige Anerkennungspolitik der Bundesrepublik angefacht wurde. Die öffentliche Debatte kannte 1992/93 nur noch ein Thema: «Asylmissbrauch». In dieser Situation knickte die SPD ein und gab ihre Zustimmung als Oppositionsfraktion zur Verfassungsänderung - unter dem Verlust von Glaubwürdigkeit, Überzeugungen und Mitgliedern. Lafontaine gehörte damals zu den maßgeblichen Befürwortern dieses Kurswechsels und hat aus diesem Fehler scheinbar nichts gelernt.

Die Logik ist simpel: Weniger Flüchtlinge bedeutet weniger Rassismus bedeutet weniger Stimmen für die rechten Parteien - damals die Republikaner, heute die AfD. Nur: Nicht die Geflüchteten verursachen Rassismus. Die Zustimmung zur AfD ist zum Beispiel dort besonders hoch, wo die wenigsten Migrant*innen leben. Und Schuld am Aufstieg einer in überwiegenden Teilen neonazistischen Partei tragen nicht Geflüchtete. Schuld ist erstens ein wirkmächtiger gesellschaftlicher Rechtsruck, befördert von Sarrazin wie von Seehofer, zweitens eine Krise der politischen Repräsentation, verursacht durch Jahrzehnte neoliberaler Entsicherung und drittens das Fehlen einer klassenkämpferischen Perspektive mit Bezug zum Lebensalltag vieler Menschen.

Die Idee, man könne die Rechten schwächen, indem man ihre Sprache und Forderungen übernimmt, ist ebenso absurd wie weit verbreitet. Über die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens könnte man in den konservativen und sozialdemokratischen Parteien im europäischen Ausland Bände schreiben. Genau diese Politik hat sich zum Beispiel in Österreich, Italien, oder zuletzt Tschechien als Steigbügel für nationalistische und faschistische Parteien erwiesen. In Deutschland bedeutete die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, die der sogenannte «Asylkompromiss» faktisch darstellt, außerdem eine Abkehr von einer zentralen Konsequenz aus dem Faschismus und leitete einen Raubbau an rechtsstaatlichen Grundsätzen ein, der bis heute andauert.

Für die extreme Rechte war die Abschaffung des Asylrechts ein Triumph, der lange nachwirkte. Zu Recht wurde das Regierungshandeln als Zugeständnis an eine Eskalation rechter Gewalt verstanden. Sinnbildlich für diese Eskalation stehen die rassistischen Krawalle in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen oder die Mordanschläge von Mölln und Solingen. Aus dieser Erfahrung mit Terror Entscheidungen im Parlament herbeiführen zu können, erwuchs eine Bewegung insbesondere im Osten, die mit gewalttätigen Angriffen und Errichtung von Angsträumen direkt in den Morden des NSU mündete.

Auch die Republikaner, wurden durch den «Asylkompromiss keineswegs geschwächt. Sie zogen 1996 erneut mit 9,1 Prozent der Stimmen in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Damit hatte sie trotz des Asylkompromisses kaum Stimmen eingebüßt. 1992 hatte die Partei im »Ländle« 10,9 Prozent erhalten. In Bayern und Hessen erzielte sie kommunalpolitisch auch nach 1993 große Erfolge. Die Republikaner zerstritten sich später über die Frage, wie mit offen nazistischen Parteien wie NPD und DVU umzugehen sei, über Finanzskandale und persönliche Streitigkeiten. Mit dem Asylkompromiss hatte das Nichts zu tun.

Aber was können wir für die heutige Auseinandersetzung lernen? Damals wie heute ist es wichtig und richtig, gewalttätigen Rassisten - auch in der direkten Konfrontation - Einhalt zu gebieten. Statt ihre Agenda zu übernehmen, braucht es eine breite Auseinandersetzung mit dem Rassismus der Mehrheitsgesellschaft. Und statt immer weiter nach rechts zu rücken, müssen wir offensiv für eine starke Linke kämpfen, die in der Lage ist, soziale Verbesserungen für alle durchzusetzen und die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums wieder zum Thema zu macht.

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