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Der Skandal bleibt ein Skandal
LINKE berät über Nachfolge der zurückgetretenen Gesundheitsministerin Diana Golze
Dass Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE) wegen des Umgangs mit dem Lunapharm-Skandal nicht zu halten ist, zeichnete sich intern schon länger ab. Sie selbst sah aber bis kurz vor ihrem dann doch erfolgten Rücktritt nicht vorher, dass dieser Schritt Ende August unausweichlich sein würde. Für den Fall der Fälle hätte bereits vor Wochen vorsorglich über eine Alternative nachgedacht werden müssen. Aber das ist offensichtlich nicht geschehen. Infolgedessen gibt es nun keinen Plan B und erst recht keinen möglichen Nachfolger, mit dem schon gesprochen worden wäre.
Am Freitagabend trifft sich der Landesvorstand der Linkspartei sowieso. Der Termin steht schon länger fest. Doch natürlich wird dort über eine Nachfolgerereglung gesprochen. Selbstverständlich wird dort auch darüber diskutiert werden, wie es in der Parteispitze weitergeht und wer der Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2019 werden könnte. Ursprünglich gab es die Idee, dass Golze die Landesliste zur Landtagswahl anführen sollte. Ihre Wahl zur Landesvorsitzenden im März 2018 sollte keine Vorentscheidung sein, war aber doch etwas in der Art.
Nun ist alles wieder offen. Dass in den drei Personalfragen am Freitagabend schon Entscheidungen fallen, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Es kann sein, dass es nicht einmal eine Antwort auf die drängendste Frage gibt: Wen ernennt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am 19. September zur neue Gesundheits- und Sozialministerin? Denn eine Frau sollte es schon sein, da die Posten des Finanzministers und des Justizministers bereits mit Männern besetzt sind.
Die Landesvorsitzende Anja Mayer muss sich darüber den Kopf zerbrechen. Sie weiß im Moment anscheinend noch nicht, ob sie am Freitagabend schon so weit ist, dem Landesvorstand jemanden zu nennen, der in Frage käme und auch wollen würde. Ein Name ist frühzeitig ins Spiel gebracht worden: der von Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski. Doch nach nd-Informationen hat Trochowski, die im Finanzministerium ausgezeichnet ihren Job macht, keinerlei Ambitionen, an die Spitze des ihr fremden Gesundheits- und Sozialressorts zu wechseln.
Etwas mehr Zeit bleibt bis zum 26. Januar. An diesem Tag soll die Landesliste für die Landtagswahl 2019 aufgestellt werden. Auf Platz eins könnte Vizefraktionschefin Kathrin Dannenberg stehen, heißt es. Es gibt auch noch andere Varianten, aber nicht allzu viele.
Derweil schwelt der Pharmaskandal weiter. Niemand vermag zu sagen, ob in den vergangenen Jahren ein Krebspatient vielleicht nur deshalb gestorben ist, weil er ein in Griechenland gestohlenes und durch unsachgemäßen Transport wirkungslos gewordenes Medikament bekommen hat. Möglicherweise wird sich das niemals aufklären lassen. Es gab zwar Hinweise auf kriminelle Machenschaften bei der Firma Lunapharm, und das Landesgesundheitsamt ging der Sache auch nach. Doch nach bisherigen Erkenntnissen hätte die Lieferung der Medikamente an Apotheken und Großhändler schon spätestens im März 2017 gestoppt werden müssen. »Durch diesen Skandal haben die Patientinnen und Patienten, die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in das Handeln der Gesundheitsbehörden, aber auch in uns als Partei verloren«, schreiben in einem Brief an die Parteimitglieder die beiden Landesvorsitzenden Anja Mayer und Diana Golze. »Durch Transparenz und entschlossenes Handeln müssen wir versuchen, Vertrauen zurückzugewinnen, auch wenn wir wissen, dass dies sehr schwer sein wird.«
In dem Mitgliederbrief findet sich auch ein Dankeschön dafür, »dass ihr in der schwierigen Situation Vertrauen hattet und habt, Aufklärung zugelassen habt und eure Fragen in aller Solidarität gestellt habt«.
Es gab allerdings in den zurückliegenden Wochen verschiedene Meinungen. Das reichte von der empörten Wortmeldung, es müsse doch um die Sache gehen und nicht um Personen, die an ihrem Amt kleben, bis hin zu der Ansicht, Diana Golze habe sich nichts vorzuwerfen und solle bloß nicht aufgeben. In der Linksfraktion und im Landesvorstand schien der Rückhalt für Golze zu schwinden. Wie es bei der Basis insgesamt aussah, lässt sich schwer abschätzen.
Nun, nach dem Rücktritt, melden sich vor allem jene, die das bedauern oder die zumindest ihren Respekt zollen und alles Gute wünschen. Nur ganz vereinzelt gibt es unter den Kommentaren der bei Facebook eingestellten persönlichen Erklärung Golzes hämische Bemerkungen. Derartiges gipfelt dann allerdings in der frechen Frage, warum der Amtsverzicht so lange auf sich warten ließ, ob erst ein neuer Job als Pharmalobbyistin gefunden werden musste?
Unter denen, die »alles, alles Gute« wünschen und »ganz viel Kraft«, sind nicht nur die eigenen Genossen. Das macht auch eine Genossin des Koalitionspartners - die SPD-Landtagsabgeordnete Sylvia Lehmann. Sie ist Vorsitzende des Gesundheitsausschusses und verstand sich menschlich gut mit Diana Golze. Lange dachte Lehmann, die Ministerin müsse nicht zurücktreten. Erst Ende vergangener Woche bekam Lehmann Zweifel, ob die Lage anders noch zu beherrschen sei.
Aber eine Entlassung durch den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Das hätte die rot-rote Koalition gesprengt - egal, wie in der Linksfraktion ganz nüchtern darüber gedacht wird. Dieses eine Problem schaffte Diana Golze mit ihrem mehr oder weniger freiwilligen Rückzug aus der Welt. Die anderen Probleme sind ungelöst - es gibt noch keine Nachfolgeregelung, es gibt keine vollständige Aufklärung und es müssen Schlussfolgerungen aus dem Pharmaskandal gezogen werden.
Diana Golze trage die politische Hauptverantwortung, sei aber nicht die Alleinschuldige, findet FDP-Generalsekretärin Jacqueline Krüger. Auch Golzes Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt habe die Probleme weder erkannt, noch sei sie zuletzt als Problemlöserin aufgetreten. »Sie ist damit Teil des Problems und muss ebenfalls abgelöst werden.« Die von Krüger geäußerte Ansicht, es bedürfe »eines kompletten Neuanfangs in der Regierung, mit frischen Personen, in anderer Konstellation« ist das vorhersehbare Gerede einer Partei, die 2014 aus dem Landtag flog und hofft, bei der Landtagswahl 2019 den Wiedereinzug ins Parlament zu schaffen. Aussichtslos ist das nicht. Exakt fünf Prozent bescheinigte die jüngste Umfrage den Liberalen.
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