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- UN-Hilfswerk für Palästinenser
PLO nennt Einstellung von US-Hilfe »grausam«
Finanzierungslücke von 300 Millionen Euro / Jordanien will Notfinanzierung organisieren, auch Deutschland könnte mehr zahlen
Washington. Die Europäische Union hat die USA aufgefordert, den angekündigten Zahlungsstopp für das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) zu überdenken. Diese »bedauernswerte Entscheidung« der USA hinterlasse eine »erhebliche Lücke« bei der Finanzierung der Hilfen, erklärte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Samstag in Brüssel. Das US-Außenministerium hatte am Freitag erklärt, Washington wolle das »hoffnungslos fehlerbehaftete« Hilfswerk nicht mehr finanziell unterstützen.
Die USA waren lange der größte Geldgeber des UNRWA - allein im vergangenen Jahr leistete Washington einen Beitrag von mehr als 350 Millionen Dollar (300 Millionen Euro). Die Regierung von US-Präsident Donald Trump übt aber scharfe Kritik an dem Hilfswerk.
Außenministeriumssprecherin Heather Nauert warf dem UNRWA vor, die Zahl der Palästinenser künstlich aufzublähen, die Anspruch auf den Flüchtlingsstatus haben. Vor wenigen Tagen hatte die US-Regierung auf Anweisung von Trump bereits mehr als 200 Millionen Dollar an Hilfen für die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland gestrichen, die nicht über das UNRWA laufen.
Trump will die Hilfen für die Palästinenser so lange zurückhalten, wie diese nicht zu Friedensgesprächen mit Israel bereit sind. Die Palästinenser hatten ihrerseits nach der Entscheidung, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, ihre offiziellen Kontakte zu Washington abgebrochen.
»Wir hoffen, dass die USA ihre Entscheidung noch einmal überdenken können«, hieß es in der Erklärung von Mogherinis Behörde. »Die USA haben immer eine entscheidende Rolle in den Bemühungen für Frieden im Nahen Osten gespielt und werden es weiter tun.« Die EU werde dabei weiter eng mit den USA und andere regionalen und internationalen Partnern zusammenarbeiten. Wie die EU weiter ankündigte, will sie mit ihren internatioalen Partnern eine Lösung suchen, um die Hilfen für die Palästinenser aufrecht zu erhalten, »auch durch die UNRWA«.
Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat verurteilte den Schritt der USA. Er rief alle Länder auf, »die Entscheidung zurückzuweisen« und dem UNRWA »jegliche mögliche Unterstützung« zukommen zu lassen. Hanan Aschrawi von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) nannte die Entscheidung »grausam und unverantwortlich«.
UNRWA-Sprecher Chris Gunness bedauerte im Kurzbotschaftendienst Twitter die Entscheidung der USA und wies zugleich die Kritik an seiner Organisation zurück. UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte, das UNRWA habe sein »volles Vertrauen«. Er rief andere Länder auf, die entstehende finanzielle Lücke zu schließen.
Israel begrüßte hingegen die Entscheidung Washingtons. Den Flüchtlingsstatus von Palästinensern zu festigen sei »eines der Probleme, die den Konflikt am Leben erhalten«, sagte ein Mitarbeiter von Regierungschef Benjamin Netanjahu am Samstag.
Israel wirft dem seit fast 70 Jahren bestehenden UNRWA vor, die Idee aufrecht zu erhalten, dass viele Palästinenser ein Recht auf die Rückkehr in ihre Heimat haben, aus der sie nach der Gründung Israels 1948 geflohen sind oder vertrieben wurden. Israel und die USA sind beide gegen diese Interpretation.
Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge kümmert sich um die rund fünf Millionen registrierten Flüchtlinge, die im Zusammenhang mit der Staatsgründung Israels 1948 vertrieben wurden oder geflohen sind. Washington hatte seine Zahlungen an das Hilfswerk bereits Anfang des Jahres drastisch gekürzt. Inzwischen hat das Hilfswerk große Schwierigkeiten, um etwa den Betrieb hunderter Schulen weiter zu finanzieren.
Deutschland hat dem UNRWA in diesem Jahr bislang 81 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kündigte am Freitag an, mit zusätzlichen Zahlungen einspringen zu wollen, ohne eine genaue Zahl zu nennen. Jordanien kündigte an, am Rande der UN-Vollversammlung im September eine Notfinanzierung zu organisieren.
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