Ein linker Politiker greift durch

Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke geht gegen eine Gruppe krimineller Syrer vor

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Oberbürgermeister René Wilke (LINKE) antwortet wie immer ruhig und freundlich. Richtig schimpfen kann er anscheinend gar nicht. Trotzdem ist ihm anzumerken, wie er sich ärgert. Eine gewalttätige Gruppe von 15 bis 20 syrischen Flüchtlingen macht seit Wochen Ärger in Frankfurt (Oder). Zuletzt hatten zwei von ihnen am 26. August Streit im Klub »Der Frosch« in der Ziegelstraße. Per Telefon riefen sie Verstärkung herbei. Zu nächtlicher Stunde rückte ein Dutzend Männer mit Messern, Steinen und Eisenstangen an, bedrohte Gäste und beschädigte Fenster und Türen. Ein Passant erlitt eine Schnittwunde, einer wurde von einem Stein getroffen.

Klubbetreiber Dirk Schöbe konnte Schlimmeres verhindern, indem er von innen die Tür zuhielt. Schöbe zeigte sich in einer im Internet veröffentlichten Erklärung schockiert, dass unter den Angreifern Männer waren, die früher dort friedlich gefeiert haben, die als Gäste willkommen waren, weil die Türsteher hier niemanden wegen seiner Hautfarbe oder Nationalität abweisen. Klar wisse er, dass nur diese ganz speziellen Syrer bewaffnet waren und nur sie wahllos auf alle losgegangen sind. »Und trotzdem werden wir in Zukunft zusammenzucken, wenn arabisch aussehende Gäste den ›Frosch‹ betreten wollen, wir werden Gäste nach Waffen durchsuchen müssen, wir werden lange brauchen, um wieder Vertrauen aufbauen zu können - zu ganz normalen in unserer Stadt lebenden Flüchtlingen.«

Selbstverständlich seien die Angreifer nur ein kleiner Prozentsatz der in Deutschland lebenden Menschen mit ausländischen Wurzeln. Aber es sei an der Zeit, die Angreifer zu stoppen. »Wir haben absolutes Vertrauen in unseren Oberbürgermeister«, heißt es in der Erklärung. René Wilke werde alle ihm möglichen Mittel ausschöpfen, um Frankfurt (Oder) wieder zu seinem sicheren Ort für alle zu machen.

Der Oberbürgermeister ergreift nun auch wirklich Maßnahmen. Er will die polizeibekannten Syrer ausweisen. So leicht ist das allerdings nicht. Erst einmal muss so ein Verwaltungsakt vom Ordnungsamt und von der Ausländerbehörde rechtlich sauber vollzogen werden. Dann können die Männer aber immer noch nicht abgeschoben werden, weil ihre Heimat nicht als sicherer Staat eingestuft ist. Sobald sich die Beurteilung der Verhältnisse in Syrien ändert, könnten die Männer jedoch ohne Verzögerung zurückgeschickt werden, erläutert Wilke. Bereits Anfang 2019 könnte es seiner Einschätzung nach soweit sein. Der Oberbürgermeister betont, dass die Integration in Frankfurt (Oder) ausgezeichnet laufe und dass sich daran nichts ändern solle; dass es nur eine sehr kleine Gruppe sei, die Schwierigkeiten mache. Aber: »Da ging es um Mordversuch. Das kann man nicht kleinreden.« Wer mit einem Messer auf eine Kehle ziele, der wolle töten.

Um die 1500 Flüchtlinge leben in Frankfurt (Oder), erklärt Wilke. Die Integration dieser Menschen sei vorbildlich. Beispielsweise sei man bei der dezentralen Unterbringung der Geflüchteten in Wohnungen so weit wie keine andere Kommune in Deutschland. Die Asylheime in Frankfurt (Oder) seien Einrichtungen des Landes zur Erstaufnahme von Flüchtlingen. Die der Kommune zugewiesenen Flüchtlinge seien dagegen mit Wohnungen versorgt. Die Kinder besuchen Kitas und Schulen, viele trainieren gemeinsam mit Einheimischen in Sportvereinen.

»Wir sind eine weltoffene Stadt, die von den zu uns gekommenen Geflüchteten profitiert und von ihnen bereichert wird.« Das zu sagen, ist dem Oberbürgermeister außerordentlich wichtig. »Ich fälle keine Pauschalurteile, ich entscheide in Einzelfällen«, unterstreicht Wilke. Damit leiste er rechter Hetze keineswegs Vorschub. »Im Gegenteil: Ich entziehe rechter Hetze den Nährboden.«

Viele andere Syrer unterstützen sein Vorgehen, versichert Wilke. Sie seien nicht einverstanden damit, wie sich ihre Landsleute benehmen, und sie hätten keine Lust, »von der Bevölkerung dafür in Mithaftung genommen zu werden«. Die kriminellen Syrer sollen nicht nur Einheimische, sondern auch andere Flüchtlinge angegriffen haben.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) findet es durchaus »legitim«, dass der Oberbürgermeister alle Maßnahmen prüft, die für mehr Sicherheit sorgen könnten. Sie glaubt aber nicht, dass dabei etwas herauskommt, was Frankfurt (Oder) helfen würde. Nach ihrer Kenntnis hat es bislang nur einen einzigen Fall in Nordrhein-Westfalen gegeben, wo eine Ausweisung auf diesem Wege erfolgte. Das sei sehr kompliziert zu machen, und die Genfer Konvention verlange, dem Flüchtling Zeit zu geben, sich ein anderes Asylland zu suchen. Ihn in ein Kriegsgebiet zurückzuschicken, gehe gar nicht. Das Land Brandenburg müsse überlegen, wie es helfen könne, findet Johlige.

In Cottbus wurde auf Gewaltvorfälle zu Beginn des Jahres mit verstärkten Polizeistreifen und zusätzlichen Sozialarbeitern reagiert. Das Innenministerium hat jetzt auch Frankfurt (Oder) Hilfe angeboten.

Einer der beiden Hauptverdächtigen des Angriffs auf den Klub »Der Frosch« sitze inzwischen in Untersuchungshaft, allerdings wegen eines früheren Delikts, informierte am Montag Oberstaatsanwalt Ulrich Scherding. Auch gegen einen zweiten Tatverdächtigen werde ermittelt. Die Polizei hat eine Sonderkommission gebildet.

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