- Berlin
- Revolution in Berlin
Lehrstück in Sachen Demokratie
Neue Dauerausstellung am Gedenkort für die Revolutionäre von 1848 und 1918 eingeweiht
Es war eine illustere Gesellschaft, die sich am Montagabend auf dem Gelände des ein wenig versteckt am Volkspark Friedrichshain gelegenen Friedhofes der Märzgefallenen eingefunden hatte. Ging es doch um die Einweihung des ersten Teils einer neu entstehenden Dauerausstellung, der sich der Geschichte und den Hintergründen der Novemberrevolution von 1918/1919 in Berlin widmet.
Der Friedhof, oder besser: die Gedenkstätte am Ernst-Zinna-Weg ist seit ihrem Bestehen ein Ort, an dem die teils verfeindeten Erbengenerationen der Revolutionskämpfer von 1848 und 1918/1919 um die Deutungshoheit der geschichtlichen Ereignisse streiten. Nicht zuletzt wird das offenkundig an einem Gedenkstein mit der Inschrift von DDR-Staats- und SED-Parteichef Walter Ulbricht: »Die Vorhut der Arbeiterklasse hat in der Novemberrevolution heroisch gekämpft.«
Und so fiel schon auf, dass unter den Gästen der kleinen Feier neben Walter Momper (SPD), dem Regierenden Bürgermeister a.D. und Kuratoriumsvorsitzender des Ausstellungs- und Gedenkortes, Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) und der Kulturstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne), unter anderem auch Hans Modrow (LINKE), Eberhard Diepgen (CDU) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs (SPD), Bundesvorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, sowie weitere Mitglieder von Abgeordnetenhaus und Bundestag auszumachen waren.
255 Opfer der Berliner Revolution vom 18. März 1848 sind auf dem eigens für sie angelegten Friedhof begraben. Er wurde bewusst als Denkmal zur Erinnerung an die Revolution und die gefallenen Barrikadenkämpfer geschaffen. Ebenso bewusst wurden an diesem Ort auch die Gefallenen der ersten Phase der Novemberrevolution beigesetzt, auf Beschluss des Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte. 29 Gefallene der Kämpfe vom 9. November und 5. Dezember 1918, Teilnehmer der siegreichen Phase der Revolution, die den Kaiser und erste demokratische Errungenschaften erkämpft hatte, darunter auch sieben in Berlin im Dezember gefallene revolutionäre Matrosen. Die in den Januar- und Märzkämpfen 1919 von Militärs getöteten Spartakisten und ihre Anhänger, galten der neuen Regierung als »Putschisten« und »Verbrecher« - sie wurden, wie Projektkoordinator Dietmar Lange im Gespräch erinnerte, auf dem Friedhof in Friedrichsfelde begraben.
Kultursenator Lederer erinnerte daran, dass der Friedhof der Märzgefallenen nicht nur ein Ort deutscher Revolutionsgeschichte, sondern neben der Frankfurter Paulskirche und der badischen Festung Rastatt einziger authentischer Erinnerungsort der demokratischen Revolution in Deutschland von 1848 ist. Berlin habe damals in einer Reihe mit Paris und Wien gestanden, auch wenn die Revolution damals gescheitert sei.
Wie Lederer und weitere Redner verwies auch Stadträtin Herrmann auf die Notwendigkeit, dass alle Demokraten den Friedhof der Märzgefallenen gegen den Versuch der Inbesitznahme durch rechte Populisten und Antidemokraten - wie geschehen etwa am 18. März 2018 durch AfD und Identitäre - verteidigen müssten. »Wir begrüßen diese neue Ausstellung in unserem Bezirk. Der Friedhof der Märzgefallenen steht exemplarisch für den epochenübergreifenden Kampf um Gleichheit, Mitbestimmung und soziale Gerechtigkeit. Er ist Gedenkort, aber auch ein Ort, an dem Demokratiegeschichte erfahrbar gemacht und demokratisches Handeln gelernt werden kann.«
Enthüllt wurden dann sieben Metallstelen, die sich in Text und Bild der Novemberrevolution widmen. Eingeleitet wurde damit auch die Veranstaltungsreihe »Revolution revisited« des Friedhofs der Märzgefallenen zur Geschichte der Revolution. Sie ist Teil des berlinweiten »Themenwinter Revolution 1918/19« von Kulturprojekte Berlin. Liesers Ausstellungsprojekt sieht die Schaffung von drei »Geschichtsinseln« vor - jener für die Revolution 1918/1919 folgt im März 2019 eine zweite für die 1848er, am Ende eine zur Geschichte des Ortes.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.