Kreml-Favoriten klar im Vorteil

Moskau wählt am Sonntag seinen Bürgermeister, Russland in den Regionen

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

In Moskau kommt das Feuerwerk noch vor der Bekanntgabe der Ergebnisse der Wahlen am 9. September zum Bürgermeister. Samstagabend werden die Pyrotechniker eine festliche Atmosphäre zum »Tag der Stadt« an deren 871. Gründungstag in den Nachthimmel zaubern. Grund zur Freude hatte Amtsinhaber Sergej Sobjanin schon vorher. So verwarf das Moskauer Stadtgericht zu Wochenbeginn eine Klage des kommunistischen Mitbewerbers Wadim Kumin, der Bürgermeister missbrauche sein Amt für den Wahlkampf.

Sobjanin verblieb erwartungsgemäß auf der Kandidatenliste und weihte gleich noch einen sechsspurigen Straßenabschnitt im Nord-Osten ein. Eine Verbesserung für eine Million Moskauer, freute er sich medienwirksam. Am Vorabend der Abstimmung, an dem der Wahlkampf ruhen soll, stehe auch die Eröffnung eines Konzertsaales auf dem Programm, beklagen Kritiker. Dort würden auch Präsident Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedjew erwartet.

Der 60-jährige Jurist und frühere Generalgouvernuer des Ural-Gebiets steht mit beiden Spitzenleuten auf vertrautem Fuße. Schließlich war er Chef der Präsidialverwaltung unter Putin und Vizepremier in der Regierung. Allerdings konnten seine früheren Chefs ihm nicht helfen, als die Eröffnung einer Linie von KamAS Elektro-Bussen scheiterte. Das für die Präsentation durch den Stadtoberen ausgewählte Fahrzeug musste sich in die Werkstatt verabschieden.

Das Umfragepolster Sobjanins ist dick genug, um solch eine Pleite auszuhalten. Das zu erwartende Resultat sieht das Meinungsforschungsinstitut WZIOM auf 69,4 Prozent gestiegen. Als Zweitplatzierter kommt KPRF-Kandidat Kumin, der etwas aufholte, auch nur auf 13,2 Prozent. Der Liberaldemokrat und Dumaabgeordnete Michail Degtjarjow rutschte von 11 auf 7,8 Prozent ab, wie auch die beiden anderen Gegenkandidaten hinter ihm auf weniger als acht Prozent abbauten.

16 Prozent unentschlossene Wähler dürften das Blatt kaum wenden. Ohnehin meint nach Erhebungen des soziologischen Institutes Lewada rund die Hälfte der Moskauer, Sobjanin mache seine Sache »gut«, weitere knapp 40 Prozent sehen ihn bei »mittel« und nur neun Prozent bei »schlecht«. Seit dieser 2010 das Amt des Bürgermeisters übernahm, habe sich die Stadt gut entwickelt, sei moderner und lebenswerter geworden, loben die Moskauer. Sogar Radwege gebe es jetzt. Bis 2023 hat Sobjanin die »Überwindung territorialer Ungleichheit« in der Riesenstadt als ehrgeiziges Ziel gesetzt. Vorgesehen sind umfangreiche Investitionen in Gesundheits- und Sporteinrichtungen, in die soziale Infrastruktur und den Verkehr.

Die Wahlbeteiligung wird trotz einer Verlängerung der Öffnungszeit der Wahllokale bis 22 Uhr bei nur etwa 32 Prozent erwartet. Das wäre etwa das Niveau des Urnenganges von 2013. Der immer noch zugkräftigste Oppositionelle Alexej Nawalny sitzt über den Wahltag einen 30-tägigen Arrest wegen der ungenehmigten Protestaktion »Wählerstreik« vom Januar 2018 ab und ist ohnehin nicht im Rennen.

»Bei Wahlen ohne Konkurrenten lockt man die Bürger mit Schaschlyk«, spottete die regierungskritische »Nowaja Gasjeta« über den Schmuck der Stimmlokale und zahlreiche Konzerte im Umfeld. In keiner Region sei die Aufstellung wirklich oppositioneller Kandidaten zugelassen worden, klagte Autorin Tatjana Wassiltschuk. Nun solle »Legitimität durch würdige Beteiligung gestützt werden«.

Das Mandat des Vertrauens des russischen Präsidenten gebe den Gouverneuren praktisch eine 100-prozentige Garantie für ihre Wahl, schreibt das Nachrichtenportal »Eurasia Daily«. So erwartet auch desssen Analyst Oleg Poljakow »keine großen Überraschungen«. Kandidaten scheitern zumeist schon im »kommunalen Filter«. Sie müssen für die Registrierung eine bestimmte Anzahl an Unterschriften von Abgeordneten der örtlichen Parlamente vorlegen. Inzwischen fordert auch Ella Pamfilowa, Leiterin der Wahlkommission, die Abschaffung des »Filters«, weil dieser den politischen Wettbewerb bedrohe. Für eine Änderung ist es diesmal jedoch zu spät. So sei nicht zuerst die Wahl der Gouverneure spannend, meint Poljakow, sondern werde es nur deren vorzeitige Ablösung.

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