Schwarze Wolken über Katalonien

Mit dem Nationalfeiertag Diada kocht der ungelöste Konflikt mit Spanien wieder hoch

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Mobilisierung zur riesigen Demonstration am katalanischen Nationalfeiertag (Diada) läuft auf Hochtouren. Am 11. September werden erneut Hunderttausende nach Barcelona pilgern, um für die Unabhängigkeit, erstmals auch für die Freiheit der politischen Gefangenen und die Rückkehr der Exilierten einzutreten. Schon mehr als 200 000 Menschen ließen sich registrieren, fast 1000 Busse sind angemeldet. Es soll massiver Druck auf Spanien ausgeübt werden, eine reale Lösung des Konflikts anzugehen.

Für die Unabhängigkeitsbewegung, den Exil-Präsidenten Carles Puigdemont und Quim Torra, der von Puigdemont als Präsident bestimmt wurde, kann das nur ein Referendum über die Unabhängigkeit nach schottischem Vorbild sein, das lagerübergreifend 80 Prozent der Bevölkerung wollen. »Wir haben gesagt, dass wir bereit sind, über ein verbindliches und anerkanntes Referendum über die Unabhängigkeit zu sprechen«, hat Torra nach einem Treffen mit Puigdemont am Mittwoch in Belgien erklärt. Beide sehen »schwarze Wolken«, wollen aber nicht, dass es »zum Gewitter« kommt.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat auch kein Interesse an einem »Gewitter«, denn damit wäre sein neuer Posten weg. Mithilfe der katalanischen Unabhängigkeitsparteien kam er per Misstrauensantrag im Juni in Madrid an die Macht. Er braucht ihre Stimmen, um wichtige Vorhaben, wie den Haushalt, zu beschließen, sonst drohen Neuwahlen. Der Sozialdemokrat schlägt nun ein »Referendum« vor, aber nur über »Autonomie«. »Katalonien hat derzeit ein Autonomiestatut, über das es nicht abgestimmt hat«, sagte er. Damit gesteht er ein, dass die Katalanen seit 2010 in einer von ihnen nicht demokratisch gebilligten Autonomie leben.

2010 hatte die rechte Volkspartei PP über das Verfassungsgericht die Axt an das Statut gelegt, das 2006 vom spanischen Parlament und per Plebiszit in Katalonien angenommen worden war. Gekippt wurden zentrale Inhalte, unter anderem, dass Katalonien eine »Nation« ist, ein eigenes Finanzierungsmodell bekommen und Katalanisch »bevorzugte Sprache« sein sollte.

Das Urteil 2010 war die Geburtsstunde der breiten Unabhängigkeitsbewegung, da sich viele Katalanen betrogen fühlten. Auch führende spanische Verfassungsrechtler meinen, dass das Gericht dafür keine Kompetenz hatte. Es habe den »Verfassungspakt zerstört«, der basiere auf der »doppelten Garantie«, sprich die Annahme durch Parlament und Referendum der Bevölkerung. Die Bewegung wird sich deshalb niemals, das haben ihre Vertreter schon erklärt, damit zufriedengeben, das verstümmelte Statut von 2006 abzusegnen.

Auch die Idee eines neuen Autonomiestatuts mit klaren Verbesserungen stößt in Katalonien aus Skepsis. Denn die PP könnte es mit den rechtsliberalnationalen Ciudadanos (Bürger/Cs) erneut über das von Rechten dominierte Verfassungsgericht kippen. Der neue PP-Chef Pablo Casado hat erklärt, seine Partei sei ein »Schutzwall« gegen jedes Referendum und jede Ausweitung der Autonomie. Die Cs würden sie sogar gerne weiter beschneiden.

Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung selbst tritt nicht mehr so homogen wie 2017 auf. So setzt die Republikanische Linke (ERC) zentral auf einen Dialog, um die Lage eines schwachen Sánchez zu nutzen und derweil die Basis zu verbreitern. Bei Puigdemonts Christdemokraten ist die Geduld deutlich geringer. Puigdemont drängt aus dem Brüsseler Exil mit seiner Bewegung »Crida Nacional« zur Eile. Die linksradikale CUP will ohne jeden Dialog mit Madrid vorangehen. Sie setzt auf zivilen Ungehorsam, um die im vergangenen Oktober ausgerufene Republik umzusetzen. Sie stützt sich auch auf viele »Komitees zur Verteidigung der Republik« (CDR), die erneut Straßen, Autobahnen und Zugstrecken blockieren wollen. Der große »Katalanische Nationalkongress« (ANC) denkt über eine Art Generalstreik am 1. Oktober nach, um am Jahrestag des Referendums und der brutalen Übergriffe spanischer Sicherheitskräfte auf friedliche Wähler das Land lahmzulegen. »Wir brauchen eine permanente Mobilisierung«, erklärte die ANC-Chefin Elisenda Paluzié. Mit Òmnium Cultural steht der ANC federführend hinter der Mobilisierung von Millionen.

Zusätzlicher Zündstoff droht durch die im Oktober in Madrid anstehende Prozesse gegen den ehemaligen ANC-Chef Jordi Sànchez und den Òmnium-Chef Jordi Cuixart. Beide sind seit fast einem Jahr wegen »Rebellion« und »Aufruhr« inhaftiert. Für dieselben Vorwürfe müssen sich auch mehrere katalanische Politiker verantworten. Bisher hält auch das Ministerium für Staatsanwaltschaft unter Sánchez trotz Führungswechsel an den fragwürdigen Vorwürfen fest. Etwas anderes als einen Freispruch werde seine Regierung nicht akzeptieren, sagte Torra und kündigte im Falle einer Verurteilung Taten an. Selbst eine erneute Unabhängigkeitserklärung steht im Raum.

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