Was vom Volksheim übrig ist

In Schweden droht bei den Parlamentswahlen am Sonntag ein Triumph der Rechten

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 2 Min.

Rote Spitzdachhäuschen, Michel aus Lönneberga, Köttbullar - und ein stabiler Wohlfahrtsstaat: Bis heute hält sich hartnäckig ein verklärt-romantisches Bild von Schweden, dem bevölkerungsreichsten Land Nordeuropas. Tatsächlich ist der Traum einer sozial ausgeglichenen und über die Klassengrenzen hinweg geeinten Gesellschaft, den die schwedische Sozialdemokratie einst mit der Chiffre Folkhemmet (Volksheim) versah, längst ausgeträumt. Der Rückbau des Wohlfahrtsstaates, soziale Spaltung und gesellschaftliche Polarisierung haben in den vergangenen Jahrzehnten auch im Land Olof Palmes eingeschlagen. Um rund 30 Prozent nahm beispielsweise die Einkommensungleichheit zwischen 1980 und Ende der Nullerjahre zu.

Dennoch war Schweden bislang ein gallisches Dorf: Nicht in Sachen sozialer Gerechtigkeit, sondern weil dort entgegen des skandinavischen Trends die rechte Partei, die Schwedendemokraten, isoliert blieb. In den Nachbarländern sind Rechte längst Teil der Regierungen - und treiben die anderen Parteien vor sich her: In Dänemark, das einmal eines der liberalsten Asylgesetze der Welt besaß, fordern heute Sozialdemokraten, dieses gänzlich abzuschaffen.

Anders in Schweden, das bis 2016 proportional zur Bevölkerungszahl die meisten Geflüchteten in Europa aufnahm. Dass den rechten Schwedendemokraten nun ein massiver Zuwachs an Stimmen, in manchen Umfragen gar der Wahlsieg prognostiziert wird, hat indes kaum mit der Aufnahme vieler Geflüchteter zu tun, wie es die Rechten selbst gerne behaupten. Vielmehr schlägt sich hier eine Polarisierung nieder, die vor Jahren eingesetzt hat und nun auch über die Grenzen des Landes hinaus sichtbar macht, dass Lönneberga und Volksheim endgültig der Vergangenheit angehören.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.