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»Trauermarsch« mit Naziparolen
2500 Menschen folgten Aufruf extrem rechter Gruppen nach Sachsen-Anhalt / Migrantenorganisationen warnen vor Instrumentalisierung
Köthen. Nach dem Tod eines 22-Jährigen in Köthen in Sachsen-Anhalt ist es am Sonntagabend in der Stadt zu Demonstrationen gekommen. Rund 2500 Menschen folgten nach Polizeiangaben einem Aufruf extrem rechter Gruppen zu einem sogenannten Trauermarsch durch die Stadt.
Der Marsch war von der Nazipartei »Die Rechte« angemeldet worden. Einer der Redner sprach unter anderem von einem »Rassenkrieg gegen das deutsche Volk«. Ein Korrespondent der französischen Zeitung »Le Monde« veröffentlichte ein Video im Internet, in dem Demonstrationsteilnehmer »Nationalsozialismus jetzt jetzt jetzt!« rufen. »Widerstand«, »Auge um Auge, Zahn um Zahn« und »Wir sind das Volk« skandierten die »Trauernden«. Es kam zu Übergriffen auf Journalisten.
Nach biserhigen Stand nahm die Polizei zehn Anzeigen auf. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung, der Beleidigung, Verstößen gegen das Versammlungsrecht sowie einer Körperverletzung gegen Pressevertreter ermittelt, sagte Sachsen-Anhalts Landespolizeidirektorin Christiane Bergmann am Montag in Magdeburg. Derzeit werde das Demogeschehen auf weitere Straftaten hin ausgewertet. Dafür nutze die Polizei sowohl eigene Erkenntnisse als auch Videoaufzeichnungen und Onlinematerial. Bei einer Kundgebung habe es ein offenes Mikrofon gegeben, dass von Neonazis belegt worden sei, so Bergmann.
Gegen den Aufmarsch protestierten rund 200 Teilnehmer einer von der Linksparteiabgeordneten Henriette Quade angemeldeten Kundgebung, zu der auch Initiativen wie Dessau nazifrei aufgerufen hatten.
Der 22-jährige Deutsche war in der Nacht zum Sonntag gestorben. Die Todesursache Herzversagen steht nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis nicht im direkten Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen des jungen Mannes, wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Dessau-Roßlau mitteilten. Das zuständige Amtsgericht erließ gegen die 18 und 20 Jahre alten Tatverdächtigen am Abend Haftbefehle wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Sie kamen in Untersuchungshaft.
Über die Umstände des Todesfalls gaben die Ermittlungsbehörden zunächst weiter keine Auskunft. Nach Informationen der Zeitung »Die Welt« soll dem Tod des Mannes eine Auseinandersetzung zwischen den Afghanen und zwei Deutschen vorausgegangen sein. In deren Folge sei einer der beiden beteiligten Deutschen gestorben.
In sozialen Netzwerken war nach Bekanntwerden des Todesfalls von Rechten umgehend zu Demonstrationen aufgerufen und Parallelen zum Fall im sächsischen Chemnitz vor zwei Wochen hergestellt worden. Nach den dortigen Hetzjagden hatte die Polizei umgehend ein größeres Aufgebot auch mit Unterstützung aus benachbarten Bundesländern zusammengezogen.
Der Köthener Oberbürgermeister Bernd Hauschild (SPD) hatte den Bürgern der Stadt auf Facebook von einer Teilnahme am dem sogenannten Trauermarsch abgeraten, da auch gewaltbereite Gruppen von außerhalb der Stadt »in großer Zahl anreisen« wollten. Zudem warnte er, Köthen dürfe »kein zweites Chemnitz« werden. Auch der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, mahnte zur Besonnenheit. »Jede politische Instrumentalisierung ist abzulehnen und würde zu einer Eskalation führen, die schreckliche Folgen haben könnte«, erklärte Liebig auch mit Blick auf die Vorfälle in Chemnitz in den vergangenen Tagen.
Auch die Bundesregierung äußerte sich zu dem Naziaufmarsch. »Dass es (...) am Ende des Tages in Köthen, wie ein Video zeigt, zu offen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen ist, auch das muss uns betroffen machen und empören«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Man habe mit Trauer und Betroffenheit auf den Tod des 22-Jährigen reagiert. Wie es dazu kam, und ob die Verdächtigen daran Schuld tragen, sei nun von Polizei und Staatsanwaltschaft zu klären.
Migrantenorganisationen warnen vor Instrumentalisierung
Derweilen warnen Migrantenorganisationen vor einer Instrumentalisierung des Falles. »Wir verurteilen kurzsichtige unsachgemäße Panikmache, die die Bevölkerung spaltet und zum unangemessenen Aktionismus verleitet«, erklärte das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt am Montag in Halle. Zugleich wurde den Hinterbliebenen tiefes Mitgefühl ausgesprochen. Die Ermittlungsbehörden seien jetzt zuständig, den Fall vollständig aufzuklären.
Der Vorstandsvorsitzende des Netzwerkes, Nguyen Tien Duc, sagte: »Wir sollten unsere Kraft dafür einsetzen, damit Menschen friedlich miteinander leben können.« Er kündigte an, dass das Netzwerk die Arbeit für ein friedliches Miteinander in Vielfalt in Sachsen-Anhalt, insbesondere in Köthen, verstärken werde. »Denn Demokratie funktioniert nur, wenn wir miteinander reden und uns gegenseitig respektieren.« Agenturen/nd
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