- Politik
- Bundeswehreinsatz in Syrien
»Ein sehr hypothetischer Fall«
Bundesregierung verspricht, vor einem Angriff auf Syrien den Bundestag zu konsultieren
Nachdem das Gipfeltreffen der Staatschefs Irans, Russlands und der Türkei in Teheran und die Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats keine diplomatische Lösung brachten, haben die syrische und die russische Luftwaffe ihre Angriffe am Wochenende wiederaufgenommen.
In den vergangenen Tagen hatten Unterhändler noch versucht, einzelne Rebellengruppen aus der Verteidigungsallianz herauszubrechen. Doch der Erfolg war offenbar gering. So stehen den Truppen von Präsident Baschir al-Assad sowie den mit ihnen verbündeten Einheiten aus Russland und Iran vor allem rund 10 000 Kämpfer der islamistischen Haiat Tahrir asch-Scham-Miliz (HTS) gegenüber. Früher nannten die sich Al-Nusra-Front und war der syrische Arm der Terrororganisation Al Qaida. Auch Teile der konkurrierenden Freien Syrischen Armee und andere Rebellengruppen erwarten den Ansturm.
Quasi zwischen allen Fronten sollen sich bis zu drei Millionen Zivilisten befinden. Die Hälfte davon sind Vertriebene, die schon einmal vor Assads Truppen fliehen mussten. So sie nicht die von der Regierung eingerichteten Fluchtkorridore nutzen wollen oder können, ist deren Lage besonders ausweglos. Die UNO warnt vor der bislang größten humanitären Katastrophe des 21. Jahrhunderts. Auch, weil die Türkei ihre Grenzen geschlossen hat.
Dem blutigen Gemetzel vorausgegangen sind Propagandaschlachten. Sie ließen Befürchtungen wachsen, wonach die Westmächte abermals Marschflugkörper gegen Einrichtungen der syrischen Regierung feuern könnten. Als Vergeltung für Chemiewaffenangriffe des Regimes.
Erstaunlicherweise kamen die ersten Warnungen vor C-Waffen-Attacken aus Moskau. Dort behauptete man, dass Rebellen Vorbereitungen für eine solche heimtückische Provokation starten, um das Eingreifen des Westens zu ermöglichen. Derartige Spekulationen wurden im Westen umgehend als Indiz dafür gewertet, dass Assad solch Morden plant und es vorab bereits den Rebellen und den von Damaskus besonders gehassten Weißhelmen in die Schuhe schieben will.
Es scheint, die USA haben diese Argumentation dankbar aufgenommen. Die Trump-Administration ließ keinen Zweifel daran, dass man C-Waffen-Angriffe des Assad-Regimes abermals unnachgiebig beantworten werde. Paris und London schlossen sich den Drohungen an.
Alles läuft nach erprobtem Muster. Im April hatten die drei Staaten mit dem bis dahin größten gemeinsamen Luftangriff seit Kriegsausbruch in Syrien Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgas-Einsatz im syrischen Duma geübt. Abgefeuert wurden über 140 Marschflugkörper, deren Wirkung allerdings begrenzt war. Erstens, weil die USA den Angriff gegenüber Moskau angekündigt hatten, und zweitens, weil die syrische Luftabwehr - unterstützt von der russischen Aufklärung - relativ erfolgreich Widerstand leisten konnte.
Ob Russland als Garantiemacht Syriens einen erneuten westlichen Angriff ohne eigenes Eingreifen militärisch hinnimmt, ist nicht so sicher. Immerhin hat das Land - neben den bodengebundenen Truppen in Syrien - eine gewaltige Armada aus 26 Schiffen, darunter zwei U-Boote, im Mittelmeer zusammengezogen. An dem »Manöver«, das nur dazu dient, die Offensive auf Idlib abzuschirmen, setzt Moskau Hubschrauber und Flugzeuge ein, darunter strategische Bomber.
Im vergangenen April hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine deutsche Beteiligung an dem westlichen Militärschlag gegen Syrien ausgeschlossen. Man konnte zudem darauf verweisen, nicht gefragt worden zu sein. Jetzt jedoch geht in Berlin die Befürchtung um, dass sich Deutschland an einem erneuten Schlag gegen Assads Syrien beteiligen könnte. Es habe, so berichtete die »Bild«-Zeitung zu Wochenbeginn, eine entsprechende Anfrage der US-Seite ans Kanzleramt gegeben.
In der Tat gab es Gespräche zwischen dem Verteidigungsattaché der US-Botschaft, Colonel David M. Knych, und deutschen Experten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lasse seither eine Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Vergeltungsaktionen gegen die Armee von Präsident Assad prüfen, behauptet das Blatt.
Aus dem Verteidigungs- und dem Außenministerium gibt es bislang nur eine relativ allgemeine Erklärung: Selbstverständlich sei man im Kontakt mit den US-Verbündeten und europäischen Partnern. Es gebe die große Sorge, so Regierungssprecher Steffen Seibert am Montagvormittag, dass sich »entsetzliche Muster aus anderen syrischen Kriegsschauplätzen wiederholen könnten und Hunderttausende Menschen in höchster Gefahr sind«.
Militärisch gesehen könnte die Luftwaffe Tornado-Jagdbomber mit je zwei Flugkörpern am Rumpf von Deutschland aus gegen Syrien ausschicken. Die notwendige Nachtankfähigkeit könnte unterwegs sichergestellt werden. Doch das sei ein »sehr hypothetischer Fall«, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums Jens Flosdorff.
In der Tat, ein sogenannter Vergeltungsschlag ist eigentlich nicht denkbar, wenn sich das Verteidigungsministerium - wie betont - »selbstverständlich an das Parlamentsbeteiligungsgesetz hält und das geltende Völkerrecht beachtet«. Nicht gedeckt vom bestehenden Anti-IS-Einsatzmandat wäre es auch, die in Jordanien stationierten Aufklärungsmaschinen oder den Tanker in den Kampf um Idlib zu schicken. Fraglich ist, wie sich das mit den Besatzungsmitgliedern der fliegenden AWACS-Gefechtsstände verhält.
Man sollten davon ausgehen, dass die Regierung den Paragrafen 13 des Völkerstrafgesetzbuches kennt, der sich mit der Bewertung eines Angriffskrieges oder sonstigen Angriffshandlungen befasst. Festzuhalten ist, so der Regierungssprecher, dass es bislang »keine Situation« gegeben hat, »bei der eine Entscheidung zu fällen gewesen wäre«. An weitergehenden Spekulationen werde er sich nicht beteiligen, erklärte Seibert in Berlin.
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