Demokratie in Scheibchen
Noch immer wartet Thailand auf Wahlen / Militärregierung: Februar 2019 möglich
Am 22. Mai 2014 setzte die Armee im Königreich Thailand eine aus Wahlen hervorgegangene Regierung ab. Angeblich, um das Land »rasch zur Normalität zurückzuführen«, wie Putschführer Prayuth Chan-O-Cha damals verkündete. Mehr als vier Jahre sind seitdem vergangen und noch immer herrscht die Militärregierung, obwohl sie wieder und wieder die Durchführung demokratischer Wahlen versprochen hatte. Oder was die Militärs unter demokratisch verstehen.
Schließlich sind sowohl die aktuelle Verfassung der konstitutionellen Monarchie als auch das Wahlgesetz keinesfalls Ergebnis demokratischer Prozesse, sondern wurden von Gremien verfasst, die die Militärs eingesetzt und kontrolliert haben. Hatte Prayuth kurz nach dem Putsch davon gesprochen, nach einem Jahr zu einer Zivilregierung zurückkehren zu wollen, darf man inzwischen gespannt sein, ob der Urnengang tatsächlich vor dem fünften Jahrestag des Staatsstreichs stattfinden wird. Momentan gibt sich Prayuth zuversichtlich und sprach vom 24. Februar als Termin. Eine Reihe kürzlich angenommener Gesetze setzt Mai als spätesten Zeitpunkt.
Die Zuversicht des Chefs der Militärregierung gründet sich vor allem auf eine Aussicht - durch die Wahl im Amt bestätigt zu werden. So nimmt der Plan des nahtlosen Übergangs von der Militärjunta zur Zivilregierung konkrete Gestalt an. Sein strategischer Entwicklungsplan für Thailand ist schließlich auf nicht weniger als 20 Jahre angelegt. Und auch dafür, dass keine demokratischen Unwägbarkeiten das Land vom militärisch vorbestimmten Kurs abbringt, ist gesorgt.
Wer auch immer aus den Wahlen als Sieger hervorgeht, wird nur begrenzten Einfluss auf den Gang der Dinge haben. Denn gewählt werden nur die 500 Mitglieder der unteren der zwei Parlamentskammern; die 250 Mitglieder des Senats dagegen werden von den Militärs ernannt. Die Parteien werden künftig entsprechend ihrem Stimmenanteil im Parlament vertreten sein - eine Abkehr vom Prinzip der Mehrheitswahl, als die Sieger der einzelnen Wahlkreise ins Parlament einzogen. Das soll vor allem erdrutschartige Siege verhindern und ist etwa gegen die als Rothemden bekannten Bewegungen aus dem Norden und Nordosten Thailands gerichtet.
Doch auch anderen Parteien machen den Militärs das Leben schwer. Erst vor wenigen Tagen wurde das komplette Verbot politischer Tätigkeit ein wenig gelockert. Ein halbes Jahr vor der Wahl wird politischen Parteien nun erlaubt, Vorstandssitzungen abzuhalten, neue Mitglieder aufzunehmen und Kandidaten für die Wahl aufzustellen. Wahlkampf, so sagt die die Order der Militärregierung, bleibt weiterhin untersagt. Der einzige, der uneingeschränkt politisch aktiv ist, ist Prayuth selbst. Freitag für Freitag wendet er sich zur besten Sendezeit über alle zu diesem Zweck gleichgeschalteten Kanäle des thailändischen Fernsehens an sein Volk und lässt sich zu allen möglichen Themen aus. Er gibt sich als der starke Mann, der für Ordnung und Gerechtigkeit steht, der sich auskennt mit nahezu allen Dingen und es schon richten wird. Wenn man ihn denn lässt.
Über vier Jahre ist das nicht ohne Wirkung geblieben. Inzwischen tourt der eher steril daherkommende Premier durchs ganze Land und versucht sich als volksnaher Führer. Selbst die J-Pop Group AKB48 durfte zur Imageaufbesserung in Prayuths Amtsräumen hüpfen. Umfragen vom Juli sehen den Junta-Chef vorn: Fast ein Drittel der Befragten würde ihn gern weiter im Amt des Premierministers sehen. Mehrere neu gegründete Parteien mühen sich deshalb nach Kräften, Prayuth als ihren Kandidaten aufzustellen. Nur er selbst hat sich noch nicht endgültig festgelegt.
Das Ergebnis der Wahl scheint dagegen bereits jetzt festzustehen: Wer immer die meisten Stimmen erhalten wird, Sieger sind die Militärs. Und falls - entgegen aller ausgeklügelten Vorsorge durch die Junta - doch eine Partei mehr als 375 Sitze im Unterhaus gewänne, bliebe immer noch die Möglichkeit eines neuen Putsches. Es wäre der 16. seit 1945.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.