Eine echte Chance für das »Minsk«

Alternative zum Abriss des Potsdamer Terrassenrestaurants soll objektiv geprüft werden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei einer der vielen Talkrunden zur Potsdamer Oberbürgermeisterwahl am 23. September sollen die sechs Kandidaten Wissensfragen beantworten - und damit zeigen, wie gut sie sich in der Stadt auskennen. Wann wurde das Terrassenrestaurant »Minsk« errichtet? Während die Politiker noch stirnrunzelnd überlegen, ruft ein Herr aus dem Publikum bereits die richtige Antwort: 1977. Er weiß es genau. »Ich habe es gebaut«, verrät er. Was er darüber denkt, dass es abgerissen werden soll? Jetzt ist er es, der ein bisschen überlegen muss. Mit einer Spur Resignation in der Stimme sagt er, es wäre nicht das erste Mal, dass ein Gebäude verschwindet, an dem er mitgebaut hatte. Er überlegt noch einmal kurz und meint schließlich: So besonders sei dieser Betonklotz ja nicht, ein einfacher Kubus. Der Mann ist von seinem Platz aufgestanden, hat ein Saalmikrofon in die Hand bekommen. Jetzt beugt er sich kurz runter. Jemand wispert ihm etwas zu. Er richtet sich wieder auf und verkündet: »Meine Frau ist anderer Ansicht.«

So ist die Lage in Potsdam. Es geht um ein sensibles Thema, um die Frage: Wem gehört die Stadt? Die Meinung über das halb verfallene »Minsk« ist geteilt. Die noch freien Grundstücke am Fuße des Brauhausbergs sollen für 27 Millionen Euro verkauft werden, um mit den eingenommenen Mitteln einen Teil der Kosten des 41 Millionen Euro teuren Schwimmbads »blu« zu refinanzieren. Investoren sollen ein kleines Stadtquartier errichten, wobei für 20 Prozent der Wohnungen eine Mietpreisbindung vorgesehen ist.

Eigentlich sollte das »Minsk« im Zuge dieser Planungen definitiv abgerissen werden. Das Quartier verdichten und das Terrassenrestaurant für eine öffentliche Nutzung erhalten, das ging angeblich nicht. Die verschiedenen Möglichkeiten seien nie objektiv geprüft worden, beschwert sich Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Noch vor der Sommerpause habe Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erklärt, von einem Wunsch der Bevölkerung, das »Minsk« zu behalten, komme bei ihm nichts an. Jetzt sei aber etwas angekommen. Eine Umfrage ergab, dass 48 Prozent der Potsdamer für den Erhalt sind und nur 39 Prozent nichts gegen den Abriss haben. Die übrigen 13 Prozent der Befragten hatten keine Meinung dazu.

Der öffentliche Druck wirkte. Am 10. September beauftragte die Stadtverordnetenversammlung den Oberbürgermeister bei nur vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen, im Rahmen eines Werkstattverfahrens bis Dezember eine auf Beibehaltung des »Minsk« gerichtete Entwurfslösung vorzulegen. Auf dieser Grundlage soll dann entschieden werden, was weiter wird. »Das ist die Wende in der Diskussion«, freut sich Scharfenberg. Er hält es für »beachtlich«, dass der scheidende Oberbürgermeister dem »Minsk« nun eine echte Chance geben soll.

Im Oberbürgermeisterwahlkampf hat sich die Kandidatin Martina Trauth (für LINKE) ganz klar für den Erhalt des Terrassenrestaurants ausgesprochen. Denkbar sind verschiedene öffentliche Nutzungen, beispielsweise als Galerie mit Gastronomie oder als Betriebskita der Landesverwaltung.

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