Ein »klassischer Beamter« auf dem Weg nach oben

SPD-Staatssekretär muss für Maaßen Platz machen - für das BfV ist noch kein neuer Chef gefunden

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Dienstagabend war klar: Hans-Georg Maaßen, der höchst umstrittene Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), wechselt als Staatssekretär »mit dem Schwerpunkt Sicherheit« ins Bundesinnenministerium. So man nicht den Altersstarrsinn von Amts- und CSU-Chef Horst Seehofer bemühen will, kann die Entscheidung nur zweierlei bedeuten: Entweder die Regierung kann einen fuchsschlauen Geheimnisträger wie Maaßen nicht einfach feuern, oder man braucht ihn, um die »Sicherheitsoffensive« voranzutreiben.

Aus seiner Sicht, so Seehofer, »wäre das alles nicht nötig gewesen«, denn Maaßen genieße nach wie vor sein Vertrauen. Auch von »Vertrauensentzug durch die Kanzlerin« sei nichts zu hören gewesen, als man sich mit Andrea Nahles am Dienstabend im Kanzleramt getroffen habe. Doch die SPD-Partei- und Fraktionschefin habe nach den Äußerungen des Geheimdienstchefs zu Chemnitz dessen Entlassung gefordert. Diese zieht nun Kompetenzverschiebungen in der achtköpfigen Staatssekretärsgilde des Innenministeriums nach sich. Um »jedes Missverständnis zu vermeiden«, habe den drei Entscheidern - Merkel, Seehofer und Nahles - dieser Beschluss schriftlich vorgelegen, sagte Seehofer - wohl um zu betonen, dass die SPD-Chefin ihren eigenen Genossen aus dem Amt gekegelt hat.

Damit Maaßen kommen kann, muss nämlich Gunther Adler in den einstigen Ruhestand gehen. Der ausgewiesene SPD-Fachmann für Bauen und Wohnen ist 55 Jahre alt. Man kann vermuten, dass sich die SPD den Posten des künftigen BfV-Chefs sichern will. Spekulationen gibt es, doch Seehofer betonte, dass über eine Nachfolge »nicht gesprochen wurde«. Man werde »zeitnah eine Dame oder einen Herren finden«, dabei aber »nichts überhasten«. Bis zu Bestellung eines Nachfolgers »werden wir weiter mit Herrn Maaßen arbeiten«, betonte dessen Vorgesetzter.

Die Beförderung Maaßens ist weit mehr als nur die Änderung seiner Besoldungsstufe 9 in B 11. Maaßen erträgt das, denn er sei, so Seehofer, ein »klassischer Beamter«, der Dienst tut, »wo er hingestellt wird«. Wird man so der Rolle des Mannes gerecht, der seit 2012 das BfV führt? Er hat den Geheimdienst ausgebaut und ihm neue Perspektiven eröffnet. Das gelang durch die Novellierung gesetzlicher Grundlagen, die dem Bundesamt eine weitgehende Kompetenz gegenüber den Ländern einräumt.

Die finanziellen Mittel des BfV wachsen stetig. In den Haushaltsverhandlungen für 2019 hat Maaßen einen Zuschlag von sieben Prozent im Vergleich zu diesem Jahr verlangt. Damit bekäme der Inlandsgeheimdienst knapp 421 Millionen Euro. Das ist doppelt so viel wie vor vier Jahren. Was er damit macht, ist geheim. Allein die Mitglieder des Vertrauensgremiums im Bundestag können in die detaillierten Finanzpläne der Behörde schauen. Dass darin jede Menge technische Projekte zur besseren Ausforschung von jedermann enthalten sind, ist sicher. Ein Gutteil der Mittel wird für immer mehr Personal ausgegeben. Derzeit sind mehr als 3100 Mitarbeiter im BfV beschäftigt. Gut 1000 Stellen sind angeblich unbesetzt, dennoch hat Maaßen den Weg dafür frei gemacht, dass das BfV bis 2021 knapp 6000 Mitarbeiter anstellen kann.

»Bei uns kann man das machen, was man schon immer machen wollte, nur ist es legal.« So lautet Maaßens Verständnis vom Verfassungsschutz, der sich öffentlich als »Dienstleister der Demokratie« darstellt. Unter anderem fordert die Linkspartei seit Jahren die Auflösung des Amtes in seiner jetzigen Form. Man brauche nicht nur »einen personellen, sondern auch einen strukturellen Neuanfang«, betonte Fraktionschef Dietmar Bartsch am Mittwoch erneut.

Dass es dazu kommt, ist unwahrscheinlich. Nicht nur, weil Maaßen auf absehbare Zeit weiter im Amt ist. Demnächst wird er für den gesamten Bereich der öffentlichen Sicherheit zuständig sein. Dann habe er zwar keine Rechtsaufsicht über das BfV, natürlich werde er aber mit seiner ehemaligen Behörde eng zusammenarbeiten, betonte Seehofer am Mittwoch.

Maaßen ist als hochintelligenter Rechtskonservativer ein vehementer Verteidiger des »Abendlandes«. Das kann man bereits aus seiner 1997 vorgelegten Dissertation herauslesen. Zugleich ist der »klassische Beamte« in zahlreiche Skandale seines Amtes verwickelt. Noch immer ist das angebliche Versagen des Geheimdienstes im Fall der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund nicht geklärt. Maaßen ließ um Transparenz bemühte Journalisten als »Landesverräter« verfolgen, sah keinen Grund zu Selbstkritik, als seine vertraulichen Gespräche mit AfD-Politikern bekannt wurden, sein Dienst kungelte widerrechtlich mit dem US-Geheimdienst NSA. Jüngst beschrieb er den Fall des Weihnachtsmarktattentäters von 2016 als »reinen Polizeifall« und log damit. Nachweislich.

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