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Erst GRU-Konservatorium, dann Mordtourist?

Moskau weist neue Behauptungen im Fall Skripal zurück: Kein Beweis für Verwicklung »von irgendjemandem«

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Recherchecoup oder Lüge? Sicher ist, der Propagandakrieg im Fall Skripal geht weiter. Bereits Anfang September präsentierte die britische Polizei zwei Verdächtige, die im März den Kampfstoffanschlag auf den Doppelspion Sergej Skripal und seine Tochter verübt haben sollen. Sie seien als Alexander Petrow und Ruslan Boschirow nach Großbritannien eingereist. Einer der Männer, so berichten britische Medien nun, soll Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU und »Held der russischen Föderation« sein. Klarname: Anatoli Tschepiga. Als Quelle dient ein Bericht des Internet-Recherchenetzwerkes Billingcat.

Dass die beiden russischen Touristen mit einem Mordauftrag unterwegs waren, ist ebenso denkbar wie die Behauptung wahr sein kann, dass Billingcat eine völlig geheimdienstunabhängige Rechercheplattform ist, die sich nun einmal exquisit in geheimen russischen Abgründen auskennt.

Moskau bleibt bei der Unschuldsversion, die die beiden Männer im russischen Fernsehen zum Besten gaben: Tenor, sie seien harmlose Zivilisten, die sich für die Kathedrale von Salisbury, dem Wohnort Skripals, interessiert hätten. Die neuerliche Veröffentlichung sei mit dem Auftritt der britischen Premierministerin Theresa May im UNO-Sicherheitsrat abgestimmt gewesen, ergänzte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa via Facebook am Donnerstag. Sie bezeichnete den Bellingcat-Bericht als Ablenkungsmanöver von »der wichtigsten Frage: Was passierte in Salisbury?« Es sei, so Außenminister Sergei Lawrow, noch kein Beweis für eine Verwicklung »von irgendjemandem« vorgelegt worden.

Mit keiner Silbe ging Sacharowa auf das ein, was das Recherchenetzwerk Bellingcat behauptet - und mit Fotos und anderen Dokumenten zu beweisen scheint. Demnach wurde Anatoli Wladimirowitsch Tschepga am 5. April 1979 im fernöstlichen 300-Seelen-Dorf Nikolaewka im Amur-Gebiet geboren. Er besuchte Militärschulen, wurde Offizier einer Spetsnaz-Eliteeinheit. Der Mann soll eine Einheit im zweiten tschetschenischen Krieg kommandiert haben. Ende 2014 habe man ihn in der Nähe der ukrainischen Grenze beobachtet.

Die Website einer fernöstlichen Abteilung einer staatlichen militärischen Freiwilligenorganisation soll belegten, dass der Mann mehr als 20 militärische Auszeichnungen erhalten hat. Auch wenn es dafür keine Bellingcat-Belege zu geben scheint, muss so ein - im Wortsinn - Teufelskerl natürlich die Militärische Diplomatische Akademie, das sogenannte »GRU-Konservatorium«, absolviert haben. Im Dezember 2014 schließlich soll er - die Inschrift eines Denkmals belegt das - den Stern eines »Helden Russlands« erhalten haben. Diese höchste Auszeichnung wird per Präsidialdekret verliehen - womit die Beziehung zwischen Tschepiga und Putin bewiesen wäre.

Sowjetischer Kampfstoff als Tatmittel, dazu ein Spetsnaz-Oberst als Tourist - was braucht man mehr um Moskaus Mordlust zu belegen? Geheimdienstexperten sind dennoch vorsichtig. Nicht nur, weil der als clever geltende GRU wohl eher Auftragsmörder statt eines eigenen Drei-Sterne-Helden losgeschickt hätte, um einen nach Großbritannien freigelassenen Verräter »zu erledigen«.

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