Bürgermeisters Eigentor mit der Glocke

Debatte in Bremen um die Lärmbelästigung

  • Cäcilie Bachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange wirkte er fast ein bisschen menschenscheu - der Bremer Senatspräsident und Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). Nun ist er fast eine gesamte Legislaturperiode im Amt und tritt etwas forscher in der Öffentlichkeit auf, nicht zuletzt weil am Horizont die nächste Landtagswahl aufzieht.

Da ist der im 16. Jahrhundert angelegte Platz mit Namen Domsheide - mitten im Zentrum, direkt hinter dem Parlamentsgebäude, angrenzend an Marktplatz, Domvorplatz und das über 800 Jahre alte Schnoor-Quartier. An der Donsheide liegen acht denkmalgeschützte Gebäude, über die Domsheide fahren sechs Straßenbahn- und zwei Buslinien. Die Straßenbahnzüge wiegen leer gut 40 Tonnen und können 264 Fahrgäste transportieren.

Die Domsheide ist größtenteils mit Kopfsteinpflaster ausgestattet. Das macht diesen Ort nicht nur schwierig zu überqueren für Menschen mit Rollstühlen oder Kinderwagen, Geh- oder Sehproblemen, auch alle anderen müssen sich stark konzentrieren, um nicht zu stolpern. In Hauptverkehrszeiten wechseln hier so viele die Bahnsteige, dass es zu Menschenstaus kommt.

Eines der Gebäude am Rande dieses Mobilitätspuzzles ist das Konzerthaus Glocke mit exzellenter Akustik und exzellentem Klassikprogramm. Just hier setzt Sieling mit der Argumentation an für seinen Vorschlag, die Domsheide vom öffentlichen Nahverkehr zu befreien. Ohne Straßenbahngeratter würden die Glocke-Besucher einen störungsfreien Musikgenuss erleben. Zwar führte er auch an, die Domsheide sei ein zentraler Platz, der als solcher genutzt werden solle. Doch es gab empörte Stimmen, dass es in Bremen seit Jahren einen »Lärmaktionsplan« gebe, in dem mehrere tausend Haushalte aufgeführt seien, die täglich mit zu großem Straßenbahnlärm belastet seien.

Es gibt noch andere Argumente gegen die Straßenbahnen auf der Domsheide, wie etwa die Geh-Achse vom Marktplatz in Richtung Schnoor zu öffnen. Besonders für Touristen, die dann noch zahlreicher kämen.

Die heimische Fahrradgemeinde frohlockte bei dem Gedanken, ohne Unfallgefahr durch Pflaster, Schienen, Straßenbahnen oder zu den Haltestellen hastenden Menschen über die Domsheide von der Innenstadt in die angesagte östliche Vorstadt zu radeln. In Bremen fährt ein Viertel der Berufstätigen mit dem Rad zur Arbeit.

Sielings Vorschlag folgten auch Häme und Einwände, die die Streckenführung betreffen. Die Innenstadt ist so verbaut und wird weiter zugebaut, dass Schienen, egal wohin sie verlegt würden, wieder andere Verkehrswege behindern oder versperren. Die Autogemeinde hat da böse Vorahnungen. Besonnene schlagen vor, den Domsheide-Plan hintenanzustellen, weil es in den nächsten zehn Jahren genug Baustellen in der City geben werde. Weniger Besonnene meinen bissig, jetzt sitze Sieling schon fast eine gesamte Legislaturperiode in seinem Büro, von dem aus er auf Marktplatz, Dom und Domsheide gucken könne. Und jetzt sei ihm erst aufgefallen, wie der Platz mit den historischen Bauten durch den öffentlichen Nahverkehr verschandelt werde.

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