Seehofer sieht Spielraum für Geduldete
SPD will Aufenthaltsmöglichkeit für integrierte Geflüchtete / Arbeitgeber pochen auf Einwanderungsgesetz
Berlin. Vor den Gesprächen der Koalitionsspitzen über das geplante Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte am Montagabend hat sich die Union weiterhin dagegen gesperrt, gut integrierten Flüchtlingen bei einem abgelehnten Asylantrag einen »Spurwechsel« zu ermöglichen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte am Montag, in den von ihm und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erarbeiteten Eckpunkten sei der »Spurwechsel« nicht vorgesehen. Verhandlungsspielraum gebe es aber bei geduldeten Asylbewerbern. »Aber das ist kein Spurwechsel.«
Über diese Gruppe werde am Montagabend entschieden, kündigte Seehofer an. Die Spitzen der Großen Koalition wollten zu einem Gespräch im Kanzleramt zusammenkommen, bei dem es vor allem um den Umgang mit der Diesel-Problematik sowie um das geplante Einwanderungsgesetz für ausländische Fachkräfte gehen sollte.
In der SPD gibt es Forderungen, gut integrierten Flüchtlingen mit einem Arbeitsplatz auch bei einem negativen Asylbescheid die Möglichkeit zu geben, in Deutschland zu bleiben. Den Betroffenen würde somit ein »Spurwechsel« vom Asyl- ins Einwanderungsrecht ermöglicht. Die Union lehnt dies ab, da sie Fehlanreize befürchtet.
Ein Kompromiss könnte nun so aussehen, dass abgelehnte, aber in Deutschland geduldete Asylbewerber unter bestimmten Bedingungen bleiben dürfen. Sie können oft sowieso nicht in ihre Heimatländer zurückkehren.
Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sprach sich in der »Bild«-Zeitung am Montag für eine »nüchterne und pragmatische Lösung« für geduldete Asylbewerber aus, »die bereits ein festes Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis haben, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und sich nichts zuschulden kommen lassen«. Die Unternehmer in seinem Wahlkreis würden ihm »einen Vogel zeigen, wenn wir diese Arbeitskräfte wieder nach Hause schicken«.
Angesichts von Fachkräftemangel in vielen Branchen drängt die deutsche Wirtschaft die Große Koalition dazu, ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte zu beschließen. Ein »Spurwechsel« wird kritisch gesehen.
»Wir Arbeitgeber erwarten keine Randdiskussionen über sogenannte Spurwechsel oder Stichtagswirren«, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen Kampeter. »Die Aufnahme von Menschen in Not aus humanitären Gründen darf nicht mit der benötigten Fachkräftezuwanderung nach Bedarf vermischt werden.«
Wer einen Asylantrag stelle, könne nicht gleichzeitig oder später einen Antrag nach dem Einwanderungsrecht stellen, erklärte der Verband der Familienunternehmer. Einen »Spurwechsel« dürfe es nur in Ausnahmefällen geben. Der Verband forderte eine Stichtagsregelung.
Eine solche Lösung unterstützte auch der Migrationsexperte des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, Herbert Brücker. »Sinnvoll wäre eine Stichtagsregelung mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus für alle, die bis, sagen wir, Ende Dezember 2017 nach Deutschland eingereist sind, seit mindestens zwei Jahren arbeiten und so ihren Lebensunterhalt komplett selbst finanzieren«, sagte Brücker den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. AFP/nd
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