180.000 gehen in Barcelona für Unabhängigkeit auf die Straße

Großdemonstration zum Jahrestag des Referendums / Separatisten liefern sich Straßenkämpfe mit der Polizei

  • Lesedauer: 3 Min.

Barcelona. Ein Jahr nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien haben in Barcelona rund 180.000 Menschen für die Abspaltung der Region von Spanien demonstriert. Im Anschluss an die Kundgebung kam es am Montagabend zu Ausschreitungen radikaler Unabhängigkeitsbefürworter. Hunderte Aktivisten hatten zuvor in Girona nördlich von Barcelona die Gleise einer Hochgeschwindigkeitsstrecke besetzt und mehrere wichtige Straßen blockiert. Regionalpräsident Quim Torra begrüßte die Aktionen als Mittel, »Druck zu machen«.

Kurz nach 21 Uhr stürmten Demonstranten die Absperrungen vor dem Regionalparlament in Barcelona. Vermummte Aktivisten versuchten, mit Mülleimern Barrikaden zu errichten und warfen Steine auf die katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra. Regionalpräsident Torra wurde bei der Kundgebung in Barcelona ausgepfiffen. Teilnehmer warfen ihm vor, der spanischen Zentralregierung nicht ausreichend Widerstand zu leisten.

Zuvor hatten hunderte vorwiegend vermummte Unabhängigkeitsbefürworter die Hochgeschwindigkeitsgleise im Bahnhof von Girona besetzt, wie der Bahnbetreiber Renfe mitteilte. Fernsehsendern zufolge blockierten Demonstranten darüber hinaus in Barcelona und Lleida wichtige Straßen.

Polizei-Demonstration in Barcelona: »No passaran!«
Kein Durchkommen für spanische Polizeidemonstration

Nach Angaben der Behörden waren auch die Autobahn A7 zwischen Barcelona und Valencia und die A2 zwischen Barcelona und Madrid blockiert. Auf dem Gebäude der Regionalregierung in Girona ersetzten Aktivisten zudem die spanische Flagge durch Fahnen der Unabhängigkeitsbefürworter.

Zu den Aktionen hatten die Komitees zur Verteidigung der Unabhängigkeit (CDR) aufgerufen. »Vor einem Jahr riefen wir die Republik aus - schreiten wir zur Tat«, erklärten die CDR-Basisgruppen im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Spaniens Außenminister Josep Borrell, selbst Katalane, mahnte Torra, das Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung liege in der Verantwortung der Regionalregierung. Der Regionalpräsident erinnerte im nordkatalonischen Ort Sant Julià de Ramis an die Volksbefragung vor einem Jahr. »Alles fing am 1. Oktober an und alles geht auf den 1. Oktober zurück«, sagte er vor einem weißen Banner mit der Aufschrift »Kein Vergessen, kein Vergeben«.

Auf Barcelonas Straßen forderten am Montag tausende Studenten, dass die Ergebnisse des Referendums aus dem vergangenen Jahr anerkannt werden sollten. Bereits am Samstag hatte es in der katalanischen Hauptstadt Zusammenstöße zwischen katalanischen Aktivisten und Polizisten gegeben. 24 Menschen wurden dabei verletzt, die Polizei meldete sechs Festnahmen.

Der jahrelange Streit um die Abspaltung Kataloniens war vor einem Jahr eskaliert. Das von Madrid untersagte Referendum wurde trotz eines massiven Polizeiaufgebots am 1. Oktober abgehalten; es gab ein Ja zur Unabhängigkeit bei allerdings geringer Beteiligung. Bilder von brutalen Polizeieinsätzen vor den Wahllokalen gingen um die Welt.

Am 27. Oktober rief das katalanische Parlament einseitig die Unabhängigkeit Kataloniens aus. Die spanische Zentralregierung unter dem damaligen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy setzte daraufhin die Regionalregierung ab. Mehrere katalanische Unabhängigkeitsbefürworter wurden unter anderem wegen »Rebellion« inhaftiert, der ehemalige Regionalpräsident Carles Puigdemont und mehrere seiner Kabinettsmitglieder flohen ins Ausland.

Seit Anfang Juni regieren in Madrid die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Pedro Sánchez. Regierungssprecherin Isabel Celáa sagte am Jahrestag des Referendums, es gebe nichts zu feiern. Die Abstimmung sei »illegal« gewesen und somit rechtlich ohne Konsequenzen. Den katalanischen Regionalpräsidenten Torra rief sie auf, seine »Sprache zu mäßigen«. Schließlich habe ihre Regierung »den Dialog mit den katalanischen Behörden« aufgenommen. Zugleich bezeichnete Celáa den massiven Polizeieinsatz vor einem Jahr als Fehler.

Inzwischen ist auch das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter über das weitere Vorgehen gespalten: Radikalere Gruppen wie die CDR oder die ultralinke CUP werfen Torras Regionalregierung eine zu zögerliche Haltung gegenüber Madrid vor. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -