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Einmal auswärts, immer auswärts
Der AS Monaco ist wohl der einzige Verein, bei dem Fans lieber Gastspiele besuchen als die im eigenen Stadion
Fußballfans, die für ihren Verein durchs Land oder gar durch ganz Europa reisen, gelten allgemein als passioniertere Anhänger eines Klubs. Im Vergleich mit denen, die »nur« zu den Heimspielen kommen, sind es in der Regel viel weniger. Nicht jedoch beim AS Monaco. Auswärtsreisen ist hier Normalität. Denn die Partien beim heimischen Louis-II-Stadion interessieren keine Sau. Weil dieser Satz genau so in den französischen Medien schon oft geschrieben wurde, will sich der Dachverband Club des Supporter de Monaco (CSM) nicht mehr zu der Thematik äußern. Einiger Anhänger aus den etwa 15 Exilfansektionen reden aber gern mit einem, denn für sie ist eben das Reisen Teil Erlebnisses AS Monaco. An jedem zweiten Spieltag der französischen Ligue 1 sieht man sie im Gästeblock, egal ob in Lille (Norden), Rennes (Westen) oder Straßburg (Osten).
Im Fürstentum Monaco wohnen hingegen nur etwa 35 000 Menschen. Echte »Monégasques« sind kaum darunter. Wie wird man also Monaco-Fan? »Es hat in den 80ern angefangen, mit der Entwicklung des TV-Fußballs«, erklärt Fußballsoziologe Ludovic Lestrelin. »Monacos Partien wurden oft übertragen, weil sie schön spielten und internationale Stars wie Jürgen Klinsmann hatten.«
Diese Theorie können Aurélien und Samuel nur bestätigen. Der erste stammt aus der Bourgogne, wohnt aber in Paris. Der zweite, in der Nähe von Tarbes, tief im Südwesten Frankreichs. »Anfangs der 90er gab es nur zwei Topvereine in Frankreich: Marseille und Monaco. Ich war zehn und in meiner Region, gab es es keine Spitzenklubs. Im Vergleich zu heute war Paris Saint-Germain damals noch nichts. Der AS Monaco hat mich dagegen fasziniert, schon wegen ihr rot-weißen Trikots mit dem diagonalen Strich. Die waren Kult«, erinnert sich der 36-jährige Aurélien. Das vier Jahre jüngere Samuel unterstützt den ASM sogar schon, seit er sechs ist: »Auch wenn Bordeaux und Toulouse meinem Zuhause näher sind, würde ich niemals meinen Verein verändern«, sagt er bestimmt.
Frankreichs Fußball wird durch das Duell Hauptstadt gegen den Rest des Landes bestimmt. Die Partien Paris gegen Marseille illustrieren dies am deutlichsten. Für alle, die nicht in Paris leben, aber auch keine Lust haben, Marseille zu unterstützen, gilt Monaco dann als »perfekter dritter Weg«, wie Ludovic Lestrelin sagt. »Marseille hatte schon immer das Image des bösen Kinds. Monaco ist eher der brave Schüler der Klasse.« Das führt dazu, dass Monaco überall in Frankreich recht beliebt ist. Wir haben nicht die Arroganz von Paris oder Lyon. Deswegen hasst uns niemand», meint Samuel. «Als ich 2004 zum Champions-League-Finale Monaco gegen FC Porto nach Gelsenkirchen fuhr, traf ich dort einen Marseille-Fan. So eine Auswärtsreise hätte er nie für ein PSG-Spiel gemacht», erinnert sich Aurélien, der sein Klub «die Schweiz des französischen Fußballs» nennt.
Mit der Vereinsliebe verbindet sich fast immer auch die Identifikation mit dem Fürstenstaat Monaco. «Ich bin mit der Stadt verliebt, auch mit der fürstlichen Familie. Für mich ist Prinz Albert wie ›unser‹ Prinz», sagt Samuel, der 800 Kilometer entfernt vom Stade Louis II lebt. «Als ich ein Kind war, fuhren meine Eltern mir mit einmal im Jahr nach Monaco zum Stadion. Heute probiere ich, so oft wie möglich meinen vierjährigen Sohn dorthin zu bringen.» Für Aurélien kam der erste Wallfahrt zum heimischen Tempel viel später: 2009. «Das Stadion ist sehr weit von meinem Elternhaus entfernt. Dazu war Fußball kaum ein Thema in meiner Familie. So bekam ich nie die Gelegenheit, zum Louis II zu fahren. Vielleicht war meinen Eltern aber auch die Stimmung dort zu öde.»
In der Region selbst ist es tatsächlich schwer, Monaco-Fans zu finden. Hier herrschen die Erstligisten aus Nizza und Marseille. Die meisten lokalen Fans gehen also lieber zu diesen Klubs, während das Stadion Monacos oft gähnend leer ist. «Im Vergleich zu Marseille spüren Monacos Fans auch keine moralische Pflicht, irgendwie für Stimmung zu sorgen. In Marseille ist das Publikum Teil der Vereinsidentität. Nicht so in Monaco. Hier zählt nur das ›beau jeu‹», sagt Fanforscher Lestrelin. «Und dieses schöne Spiel kann man eben auch im Fernsehen gut verfolgen.» Wolle man sich aber Fan nennen, müsse man dann doch schon mal ins Stadion gehen. Und im Fall von Monaco an der italienischen Grenze sei das für viele eben bei Auswärtsspielen einfacher, fügt er hinzu.
Glaubt man Aurélien, wird sich das auch nie ändern: «Als 2011 die russischen Investoren kamen, glaubten sie ganz naiv, dass sie jede zweite Woche 20 000 Menschen ins Stadion bringen könnten. Das hat bis heute nicht funktioniert, weil Fußball in der Stadt einfach keine besondere Rolle spielt und die regionale Konkurrenz zu hoch ist. Die Fans wohnen woanders. Deswegen sind wir ein Exilantenklub.»
Es bleiben also die Auswärtsfahrten. Und die ASM-Fans reisen viel für französische Verhältnisse. Nur die Anhänger von Marseille (750 im Schnitt) und Paris (730) sind in größeren Massen bei Auswärtsspielen zu finden als die von Monaco (300). «Viele Fans reisen, weil sie wissen, dass auswärts die Stimmung wirklich toll ist. Da sind immer alle super motiviert», sagt Aurélien, der mehr als 60 Auswärtsfahrten hinter sich hat.
Beim Spiel in Dortmund am Mittwochabend konnte er aus beruflichen Gründen nicht dabei sein. «Das ist für mich besonders bitter. 2016 bin ich nach Dortmund gefahren, doch wegen des Terroranschlags wurde das Spiel verschoben und ich konnte nicht länger bleiben», sagt der Mann, der Fan des deutschen Fußballs ist - natürlich wegen Jürgen Klinsmann.
Samuel hingegen fuhr mit sechs Kumpels seiner Fangruppe ins Westfalenstadion: «2016 war ich auch dabei und ich konnte es kaum erwarten, wieder vor der gelben Wand zu sein. Wir sind sogar früher hingefahren, um BVB-Fans zu treffen. Sie haben uns eingeladen, um uns ihre Stadt zu zeigen. Vor zwei Jahren waren sie auch schon unglaublich freundlich zu uns.» Monacos Fans werden eben überall gemocht.
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