CDU kopiert beim Polizeigesetz die CSU
Landtagsfraktion legt eigenen Entwurf mit krassen Verschärfungen vor - LINKE und Grüne kritisieren dies
Die CDU-Landtagsfraktion will das brandenburgische Polizeigesetz massiv verschärfen. »Die Polizei muss mit der Zeit gehen können«, sagte Fraktionschef Ingo Senftleben am Dienstag nach der Beratung des eigenen Gesetzentwurfs. Im November soll der in der rot-roten Koalition heiß diskutierte Entwurf von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf der Tagesordnung des Landtags stehen.
Schleierfahndung müsse es bei Bedarf im ganzen Land geben, sagte der CDU-Abgeordnete Björn Lakenmacher. Zudem müsse Videoüberwachung auf den öffentlichen Raum wie etwa Busbahnhöfe ausgeweitet werden. Die Videoaufnahmen sollten einen Monat lang gespeichert werden, nicht nur wie bislang vorgeschlagen zwei Wochen. Zudem müssten Fußfesseln eingeführt werden. »Wichtig ist auch die Möglichkeit der Onlineüberwachung«, sagte Lakenmacher. Zur Abwehr terroristischer Gefahren sei das unabdingbar. Es reiche nicht aus, nur Computer und Festplatten zu beschlagnahmen und auszuwerten.
Im ursprünglichen Gesetzentwurf des Innenministers standen die Schleierfahndung, die elektronische Fußfessel für sogenannte Gefährder und das anlasslose Ausspähen von Nachrichtendiensten wie WhatsApp drin. Wie zu vernehmen war, hat die LINKE jedoch in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner SPD die elektronische Fußfessel gekippt. Auch bei der Schleierfahndung lenkte der Minister ein. Er wollte sie eigentlich im gesamten Bundesland und nicht wie bisher auf einen Streifen von 30 Kilometern an der polnischen Grenze beschränkt erlauben. Man wolle die Schleierfahndung nun nur auf einzelne Straßen ausweiten, signalisierte Schröter dann aber als Kompromiss.
Dagegen sieht es so aus, als müsse die LINKE im Gegenzug das Ausspähen von WhatsApp-Nachrichten hinnehmen. Da sind die Verhandlungen nach nd-Informationen inzwischen an dem Punkt angekommen, dass über die rechtsstaatlichen Bedingungen für eine solche Überwachung gerungen wird. Die LINKE-Landesvorsitzende Anja Mayer hatte anfangs erklärt, ein anlassloses Ausspähren sei sei mit ihrer Partei nicht zu machen.
»Gibt die CDU jetzt den Söder?« Das fragte der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) am Dienstag in seiner Reaktion auf die Vorschläge der CDU. Er bezog sich damit auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und auf die krasse Verschärfung des Polizeigesetzes im Freistaat Bayern. Der von der brandenburgischen CDU vorgelegte Gesetzentwurf »trägt deutlich eine bayerische Handschrift«, erkannte Scharfenberg. »Für uns LINKE haben die bürgerlichen Freiheitswerte einen hohen Stellenwert. Deshalb lehnen wir die von der CDU geplante Verschärfung des Polizeirechts und den damit verbundenen Abbau von Freiheitsrechten strikt ab.« Scharfenberg bekräftigte: »Elektronische Fußfesseln und Onlinedurchsuchungen von Computern haben in Brandenburg nichts zu suchen.« Die rot-rote Koalition bereite daher eine Gesetzesnovelle vor, »welche die öffentliche Sicherheit in Übereinstimmung mit der Wahrung der Freiheitsrechte der Bürger bringt«.
Die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) sagte, ihre Fraktion halte bereits die Vorschläge von SPD-Innenminister Schröter zur Verschärfung des Polizeigesetzes für »völlig überzogen«. Der Gesetzentwurf der CDU gehe nochmals darüber hinaus und orientiere sich ganz offenkundig am höchst umstrittenen bayerischen Polizeiaufgabengesetz. Natürlich müsse der Staat Leib und Leben seiner Bürgerinnen und Bürger schützen, doch zugleich dürften Polizeimaßnahmen nicht zu unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen führen. Könnte sich die CDU mit ihren Vorschlägen durchsetzen, wären Grundrechte »erheblich in Gefahr«, urteilte Nonnemacher.
Gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz hatte es massive öffentliche Proteste gegeben. Nonnemachers Parteifreunde haben neben anderen in Bayern Verfassungsbeschwerde eingelegt, und Bundestagsabgeordnete von LINKE, Grüne und FDP haben sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt.
In Brandenburg hat sich ein zivilgesellschaftliches Bündnis gebildet, das die Verschärfung des hiesigen Polizeigesetzes verhindern will. Für den 10. November ist eine Großdemonstration in Potsdam geplant. Treffpunkt dafür ist um 13.30 Uhr der Bahnhof Charlottenhof.
Für großes Aufsehen hatte Minister Schröters Plan gesorgt, den Einsatz von Sprengmitteln gegen Personen zu erlauben. Denn bei einem Einsatz gegen Terroristen könnte es ihre Geiseln oder andere Unschuldige treffen. Die Gewerkschaft der Polizei würde auf den Einsatz von Sprengmitteln gegen Menschen gern verzichten. Ihr Landesvorsitzender Andreas Schuster stellte klar: »Wir brauchen weder Handgranaten noch Panzerfäuste.« Man lebe nicht in einem Bürgerkriegsland und wolle Polizist in einem Rechtsstaat sein.
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