Der Wahlkampf der Biedermänner

Die AfD in Bayern glaubt sich aufgrund der Prognosen auf der sicheren Seite

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

Da steht Wilfried Biedermann an diesem Dienstag Nachmittag am Münchner Marienplatz und wirbt als Landtagskandidat im Stimmkreis für die AfD. Und man kann nichts dafür - beides, Name und Partei, lassen fast zwangsläufig an das Drama »Biedermann und die Brandstifter« von Max Frisch denken.

Herr Biedermann hat ein Mikrofon in der Hand und versucht seine Argumente an den Mann zu bringen, Zuhörer freilich sind kaum zu sehen. Die Kundgebung der AfD findet wie die meisten rechten Kundgebungen in einer gewissen Zooatmosphäre statt: Die Redner sind durch Absperrgitter der Polizei eingezäunt, der Bürger bleibt fern. Jetzt dröhnt aus Herrn Biedermanns Wahlkampflautsprecher das Lied: »Dieser Weg wird ein harter sein.« Dabei steht die Rechtsaußen-Partei mit prognostizierten elf Prozent der Wählerstimmen bei der bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober doch gut da. Nur an diesem Nachmittag lässt sich kaum einer dieser Elf-Prozent-Wähler blicken. Das Publikum besteht vor allem aus uniformierten Polizisten, die auf den AfD-Kandidaten aufpassen.

Der Wahlkampf der AfD zur Landtagswahl ist ein Wahlkampf, der wenig sichtbar ist. Öffentliche Auftritte wie die von Wilfried Biedermann sind eher die Ausnahme. Will man wissen, wann und wo sie stattfinden, so informiert man sich am besten über die an den Straßen aufgestellten Wahlplakate.

Das Internet jedenfalls ist die Sache der AfD-Wähler wohl eher nicht. Sieht man sich zum Beispiel die Webseite der AfD-Niederbayern an und geht dort auf den Link zum Kreisverband Deggendorf, scheint dort der Wahlkampf schon gelaufen zu sein. Unter der Rubrik »Neueste Einträge« findet sich die »Anmeldung zum politischen Aschermittwoch« im Februar 2018 und die »Einladung zur Wallfahrt und Maiandacht«, was auch schon ein paar Monate her ist. Aktuellster Eintrag ist der Hinweis auf eine Veranstaltung am 29. September.

Nun muss man wissen, dass das niederbayerische Deggendorf eine wahre AfD-Hochburg ist, jedenfalls gemessen an der letzten Bundestagwahl. Damals holte die Partei in einem Wahllokal 31,4 Prozent der Stimmen und ließ damit sogar die CSU mit 24,4 Prozent zurück. Vielleicht müht die AfD sich hier mit ihrer Webseite nicht ab, weil sie glaubt, sowieso ihre Stimmen in der Tasche zu haben. Dabei ist Deggendorf weder ein sozialer Brennpunkt noch eine abgehängte Region. Ganz im Gegenteil, Niederbayern und damit auch die Große Kreisstadt liegt seit einigen Jahren auf der »Sonnenseite des Bayerischen Waldes«. Es herrscht quasi Vollbeschäftigung.

Doch Deggendorf ist die Stadt, in der die AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner der CSU das Fürchten lernen will. Die 39-Jährige verkörpert sozusagen idealtypisch den radikal gewordenen Biedermann respektive Biederfrau: Katholisch, Kirchgängerin, Mutter von vier Kindern, ein schickes Haus am Waldrand, der Ehemann betreibt eine internationale Kanzlei in München. Tiefstes CSU-Urgestein, könnte man meinen, doch dann kam Thilo Sarrazin mit seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« und Katrin Ebner-Steiner wurde radikal. »Glauben & Heimat bewahren« lautet ihr Wahlspruch auf Facebook, das soziale Medium wird mehr gepflegt als die Webseiten.

Geht es nach den Prognosen, werden Dutzende AfD-Kandidaten in den Landtag einziehen, die bisher politisch kaum in Erscheinung getreten sind. Etwa der 31-jährige Markus Walbrunn, Direktkandidat in München West. »Ausgebildeter Kaufmann für Bürokommunikation beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge« gibt er als Beruf an, studiert aber derzeit Politikwissenschaft im Masterstudiengang. Er fordert wieder »Ordnung und Disziplin in den Klassenzimmern« und eine »konsequente Rückführungspolitik« bei der Asylfrage. In München Nord kandidiert der 50-jährige Thomas Hastreiter, »Offizier der Bundeswehr, 14 Jahre Fernspähtruppe, Spezialkräfte«. Er fordert eine »Polizei- und Justizreform«, um die Sicherheitskräfte »wieder effektiv und schlagkräftig zu machen«. Und er steht für die »soziale Verantwortung der AfD«, sei sie doch »die neue Partei der Arbeiter und Angestellten, der kleinen Leute«.

Andere sind hingegen schon länger politisch aktiv. Zum Beispiel Benjamin Nolte, der auf der Oberpfälzer AfD-Liste auf Platz Zwei steht. Der 36-jährige Ingenieur ist »Alter Herr« der Münchner Burschenschaft Danubia, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ähnlich wie die sogenannten Identitären, auf deren Kundgebungen Nolte schon als Redner auftrat, etwa im Februar 2016 in Freilassing.

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