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Auf den »Tag nach Merkel« vorbereiten

Deutsch-israelische Konsultationen im Zeichen der Wirtschaftsbeziehungen und erheblicher Wünsche Jerusalems

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Nähe von Khan al-Ahmar, einem palästinensischen Dorf, standen am Donnerstag die Bagger bereit; Israels Regierung will die komplette Ortschaft demnächst abreißen lassen. Offiziell haben die Beduinen die ärmlichen Gebäude ohne Genehmigung gebaut, eine Begründung, die auch in Israel stark umstritten ist, denn Palästinenser, die in Gebieten unter israelischer Militärkontrolle leben, haben keine realistische Möglichkeit, eine Baugenehmigung zu erhalten.

Bis zur letzten Minute hatten die 180 Einwohner auf Bundeskanzlerin Angela Merkel gehofft; zuletzt hatte das israelische Militärradio gemeldet, Merkel werde nicht Israel kommen, wenn die israelische Regierung die Räumung nicht absage; eine Falschmeldung, wie sich heraus stellte: Merkel vermied nach außen hin jedes kritische Wort, beschränkte sich auf die pauschale Antwort, dass man eben in manchen Fragen unterschiedlicher Ansicht sei.

Es war das siebte Mal, dass sich die deutsche und die israelische Regierung zu einer sogenannten Regierungskonsultation trafen; Merkel hatte diese Zusammenkünfte 2008 initiiert, um die engen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu betonen: Unter großem Aufwand reisten einmal im Jahr große Teile der einen Regierung ins jeweils andere Land; ein überwiegend symbolischer Akt, bislang. Doch im vergangenen Jahr kam es dann gleich zu mehreren Eklats: Die Bundesregierung sagte die Konsultation ab; offiziell wegen der Bundestagswahl; doch viel wahrscheinlicher ging es tatsächlich um die israelische Siedlungspolitik. Kurz darauf sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dann ein Treffen mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel ab, nachdem dieser sich bei einer Israel-Reise mit Vertretern von linken Organisationen getroffen hatte.

Einer der zentralen Konfliktpunkte zwischen den Regierungen Deutschlands und Israels ist das Atomabkommen mit Iran. Netanjahu wirft Merkel einen zu sanften Kurs gegenüber Teheran vor. Deutschland und andere EU-Staaten wollen im Gegensatz zu den USA das 2015 geschlossene Atomabkommen mit Iran retten.

Nun also wurden die Treffen wieder aufgenommen; neben Merkel waren auch namentlich nicht genannte »Vertreter aller Ressorts« angereist. Offiziell stand die Vertiefung der Zusammenarbeit bei Innovation und Technologie im Mittelpunkt: In Israel gibt es eine Vielzahl von Unternehmen, die im Bereich der Cybersicherheit und der Künstlichen Intelligenz tätig sind; Technologien, an denen vor allem deutsche Autokonzerne großes Interesse haben.

Aber diese Unternehmen kooperieren ohnehin schon mit israelischen Partnern, bauen selbst Standorte in Israel auf. Auf der Regierungsebene geht es vor allem um Terrorabwehr und öffentliche Sicherheit. Die israelische Seite wünscht sich verstärkten Zugang zu deutschen Geheimdienstinformationen, bietet den Bundesbehörden eigene Sicherheitstechnologien und auch Informationen an. Offen spricht man im Umfeld von Regierungschef Netanjahu darüber, dass man sich vor allem einen stärkeren Austausch zwischen deutschen und israelischen Geheimdiensten über die Lage in Syrien wünscht. Tatsächlich wurden nun auch mehrere Vereinbarungen unterzeichnet; Inhalte sind nicht bekannt.

Deutlichere Worte fanden indes deutsche und israelische Oppositionspolitiker, die sich am Dienstag zu einer Art alternativen Konsultation trafen: Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter der Grünen, forderte die Bundesregierung zu größerer Distanz zu Netanjahu und seiner Regierung auf; in dessen Amtszeit sei eine Reihe von ausgesprochen kontroversen Gesetzen verabschiedet worden. Merkel, so Nouripour, müsse die Differenzen deutlich benennen. Nouripour, der gerade selbst in Israel war, wird von dpa mit den Worten zitiert: »Unsere Bestrebungen, das Atomabkommen mit Iran als wichtigstes Hindernis zur Nuklearisierung des Nahen Ostens zu erhalten, passt genau so in unsere unverbrüchliche Verantwortung für die Sicherheit Israels wie das Benennen der Siedlungen als Hindernis für den Frieden.« Mossi Raz, Abgeordneter der linksliberalen Partei Meretz, drückte sich in seiner Kritik klarer aus. Er bezeichnete zum Beispiel die geplante Räumung von Khan al-Amar als »Kriegsverbrechen«.

Die Netanjahu sehr eng verbundene Zeitung »Israel HaJom« erinnerte den Regierungschef indes freundlich, er müsse daran denken, sich in Berlin nach neuen Partnern umzusehen: »Angesichts der schweren politischen Krise in Deutschland ist es wahrscheinlich, dass dies der Abschiedsbesuch von Bundeskanzlerin Merkel gewesen ist.«

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