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Mutiger Kampf gegen »sexuellen Terror«
Mit Nadia Murad und Denis Mukwege hat das Nobelkomitee 2018 eine gute Wahl getroffen
Insgesamt gingen laut Nobelkomitee für dieses Jahr 331 Nominierungen zum weltweit wichtigsten Friedenspreis ein - 216 für Einzelpersonen und 115 für Organisationen. Das ist die bislang zweithöchste Zahl von Vorschlägen, nur 2016 waren es mehr. Die Menschenrechtsaktivistin Nadia Murad aus Irak und der kongolesische Arzt Denis Mukwege sind eine gute Wahl des nicht immer unumstrittenen Osloer Gremiums. Das Komitee versteht seine Entscheidung dezidiert als Signal gegen die sexuelle Gewalt in den weltweiten Kriegen und bewaffneten Konflikten unserer Zeit: »Wir wollen die Botschaft aussenden, dass Frauen als Kriegswaffen missbraucht werden, dass sie Schutz brauchen und dass die Täter verfolgt werden müssen«, so die Komiteevorsitzende Berit Reiss-Andersen am Freitag in Oslo.
Nadia Murad ist zu einer unüberhörbaren Stimme der unzähligen Opfer des globalen Menschenhandels geworden, die unermüdlich das Ende dieser Gräueltaten fordert. Die heute 25-Jährige weiß aus leidvoller Erfahrung, wovon sie spricht. Sie gehört zu der kurdischsprachigen Minderheit der Jesiden. Ihr Heimatdorf Kocho wurde im August 2014 von der Terrormiliz Islamischer Staat überfallen. Die Dschihadisten massakrierten die männliche Bevölkerung; Frauen und Mädchen wurden verschleppt, misshandelt und versklavt. »Der Tod ist harmlos im Vergleich zu der Hölle, durch die wir alle gehen mussten«, so die zierliche Frau.
Sie verlor sechs Brüder und ihre Mutter. Ihr selbst gelang nach drei Monaten mit Hilfe einer benachbarten Familie die Flucht. Über Griechenland gelangte sie schließlich nach Deutschland, wo sie im Rahmen eines Projekts für Jesidinnen in Baden-Württemberg aufgenommen wurde. Seit zwei Jahren setzt sich Murad, unter anderem mit dem Vaclav-Havel-Preis für Menschenrechte und dem Sacharow-Preis des EU-Parlaments geehrt, als UN-Sonderbotschafterin für Menschenhandel-Opfer ein. Damit verarbeitet sie auch ihre Traumata, bis an die Grenze der eigenen Kräfte. Die Preisverleihung sei »eine wunderbare Geschichte«, sagt ihr früherer Betreuer Jan Ilhan Kizilhan. Der Psychologe versteht den Friedensnobelpreis als Auszeichnung »für alle jesidischen Frauen und für die Opfer von sexueller Gewalt«.
Denis Mukwege behandelt Frauen, Kinder und Babys, die Opfer unvorstellbarer Kriegsverbrechen geworden sind. Schwangeren Frauen werde der Bauch aufgeschlitzt, ihre ungeborenen Kinder würden verstümmelt. In dem von ihm 1999 gegründeten Panzi-Krankenhaus in seinem Geburtsort Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo betreute der tiefgläubige Arzt in den vergangenen Jahren 50 000 Vergewaltigungsopfer. Bis zu zehn Operationen im nicht selten 18-stündigen Arbeitstag führt der in Burundi und in Frankreich ausgebildete Gynäkologe dort durch. So stand er auch im Operationssaal, als ihn die Nachricht von der Ehrung erreichte.
Meist geht es um grauenvolle Unterleibsverletzungen, zugefügt mit Gewehrläufen, Bajonetten, abgebrochenen Flaschen. Der inzwischen weltweit berühmte Spezialist für die Wiederherstellung weiblicher Geschlechtsorgane bemüht sich aber auch, die seelischen Wunden gequälter, traumatisierter Mädchen und Frauen zu heilen und sie wieder in eine Gesellschaft zu integrieren, in der sie oft auch noch moralisch an den Pranger gestellt werden.
Sein Engagement, auch als Lehrer für junge Mediziner, hat ihm international viel Anerkennung gebracht, unter anderem in Form des Alternativen Nobelpreises und des UN-Menschenrechtspreises. Doch kostete es ihn zugleich fast das Leben, als bei einer Attacke gegen sein Haus auf ihn geschossen und ein langjähriger Mitarbeiter ermordet wurde.
Wie Nadia Murad setzt sich Denis Mukwege trotzdem weiter politisch für ein Ende der Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. In einer Dokumentation über ihn hat der 63-Jährige »sexuellen Terror« einmal als »Massenvernichtungswaffe« beschrieben: »Wir haben eine rote Linie gegen Chemiewaffen, Biowaffen, Atomwaffen ziehen können. Heute müssen wir auch eine rote Linie gegen Vergewaltigung als Kriegswaffe ziehen.«
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