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  • Berlin
  • Workshops von Geflüchteten

Integration in beide Richtungen

Flüchtlinge geben bei Workshops in Lichtenberg ihr erlerntes Wissen weiter

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Brückenbogen ist gerade noch zu erkennen, ein rot gestrichener Dachstuhl ragt mittig hervor, der Rest des Bildes ist grau oder hellbraun. In der linken unteren Ecke steht ein kleines Gerüst vor dem Wandbild in einem Innenhof in Prenzlauer Berg. Hier hat Fayez Alsharif die vergangenen Monate gearbeitet: Als verpflichtendes Vorpraktikum für sein Studium der Restaurierung, das er am 2. Oktober begonnen hat. Kunst mag Alsharif vor allem mit einem praktischen Bezug. Zuhause baut er Lampen aus Beton oder fertigt selbstgebastelte Lampenschirme mit islamischen Mustern.

Wie man solche Muster malt und mit einfachen Materialien wie Holz oder Kupfer bastelt, zeigt Alsharif am Sonntag in Lichtenberg. Dort beteiligt er sich an der »Residenz am Freiaplatz« des Stadtteilzentrums Lichtenberg-Nord. Die Residenz am Freiaplatz soll laut Ankündigung ein »temporärer Begegnungs- und Lernort« sein, an dem sich Nachbarn vorurteilsfrei begegnen und voneinander lernen können. Geflüchtete geben Workshops zum Kochen, Sticken, Tanzen, zu Holzarbeiten oder bringen Überlebenstechniken bei.

Alsharif kommt aus Damaskus in Syrien. Seit 2015 lebt er in Berlin. Eigentlich wollte er hier sein BWL-Studium fortsetzen. Aber dafür musste er erst einmal Deutsch lernen. Flüchtling sein, heißt zu Anfang vor allem: Warten. Im Flüchtlingsheim in Lichtenberg, in dem er anfangs wohnte, wurde ein Workshop angeboten: Bewohner bemalten gemeinsam die Außenwände. Das Bild, an dem Alsharif damals malte, dürfte noch immer zu sehen sein. Er hat nicht nachgeschaut - dem Heim weint er nicht nach. Der Workshop machte ihm Spaß. Später hörte er, dass im Kunstlabor S27 in der Schlesischen Straße 27b in Kreuzberg noch weitere Künstlerworkshops für Flüchtlinge angeboten wurden. Alsharif spielte Theater, baute Holzhäuser. Daraus entwickelte sich der Wunsch, auch beruflich künstlerisch zu arbeiten. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft ließ er sich beraten und kam auf den Studiengang »Konservierung und Restaurierung«. Deutsch spricht er mittlerweile fließend.

Auch Bhzad Shakou wird einen Workshop anbieten. Shakou ist Bergführer, Rettungsschwimmer, IT-Spezialist, Caterer und seit kurzem auch noch Gründungscoach in Ausbildung. Auch er kommt aus Damaskus. Als Kind spielte er meist in der Natur. »Ich bin süchtig danach, im Wald zu sein.« Später nahm er Freunde mit, trat dann einer Art Pfadfindern bei. Er wurde Rettungs- und Bergungshelfer, begleitete Ausflüge und Mehrtageswanderungen.

Dann kam der Krieg. Es wurde immer schwieriger, sich aus der Stadt heraus zu trauen. Dann wurde es auch in der Stadt gefährlich: Bomben fielen, die Armee und Milizen patrouillierten in den Straßen, überall gab es Checkpoints, an denen man seine Papiere vorzeigen musste. »Wenn ein Soldat schlechte Laune hat, schmeißt er dich ins Gefängnis«, sagt Shakou.

Bhzad Shakou floh. Seine Überlebenstechniken waren nun nicht mehr nur ein Hobby. Er machte Feuer, verband Wunden. Als er mit einem Boot nach Griechenland übersetzte, war er froh, dass er - im Gegensatz zu vielen anderen Flüchtenden - nicht nur schwimmen konnte, sondern sogar Rettungsschwimmer war.

In Berlin angekommen, musste Shakou erst einmal Deutsch lernen. In seiner Freizeit ging er oft in den Park. »Ich wollte aber mehr Natur.« Er nahm an Überlebenstrainings teil und wurde bald selbst zum Trainer. Seinen Workshop bei der Residenz am Freiaplatz gibt er am Freitagabend.

Residenz am Freiaplatz, Lichtenberg, 11. bis 14. Oktober. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, zur Anmeldung geht es hier: https://stz-lichtenbergnord.de/residenz

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