Frauen gehört die Hälfte der Macht
Quotierte Listen könnten für die Landtagswahl 2024 gesetzlich vorgeschrieben werden
Claudia von Gélieu ist in ein Kostüm und damit in eine Rolle geschlüpft. Sie setzt sich noch einen Hut auf und ist plötzlich die alte Kommunistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin, die kurz vor ihrem Tod 1933 zurückblickt, was die Frauenbewegung in Deutschland erreichte und was nach der Aufhebung des Politikverbots für Frauen 1908 - erst dann durften sie in Parteien eintreten - und nach der Einführung des Frauenwahlrechts 1918 alles offen geblieben ist.
Gleichberechtigt sind Frauen mittlerweile, gleichgestellt noch lange nicht - und sie müssen dafür eintreten, das bereits Erreichte nicht wieder zu verlieren. Daran erinnert am Sonnabend eine Frauenkonferenz der brandenburgischen Linkspartei, bei der Claudia von Gélieu als Clara Zetkin auftritt. Zur Konferenz im Potsdamer Lothar-Bisky-Haus sind 35 Frauen gekommen - und auch drei Männer. Frauen seien »die Hälfte der Menschheit, also gehört uns die Hälfte der Macht«, findet die Landesvorsitzende Diana Golze. Die LINKE zeige mit einer weiblichen Doppelspitze, dass sie es damit ernst meine. Aber es gibt eine ernste Bedrohung für die Gleichberechtigung und für die Bemühungen um Gleichstellung. Man müsse die Errungenschaften gegen ein »Roll-back« verteidigen.
Golzes Co-Vorsitzende Anja Mayer sagt, die AfD vertrete ein Familienbild der 1950er Jahre oder noch früher. »Das wird eine zentrale Auseinandersetzung im Wahlkampf sein«, kündigt Mayer an. Am 26. Mai 2019 fällt in Brandenburg die Europawahl mit der Kommunalwahl zusammen, und am 1. September folgt die Landtagswahl.
Von wegen Hälfte der Macht: Im Bundesland sind nur 23,3 Prozent aller Kreistagsabgeordneten, Stadtverordneten und Gemeindevertreter weiblich und unter den 88 Landtagsabgeordneten sind lediglich 34 Frauen, wie die Landtagsabgeordnete Diana Bader (LINKE) erinnert. Ihre Fraktionskollegin Andrea Johlige weist allerdings darauf hin, dass sich an der Zusammensetzung des Parlaments bei der übernächsten Landtagswahl im Jahr 2024 entscheidend etwas ändern könnte.
Mit einer streng quotierten Landesliste, bei der jeder zweite Platz für eine Frau reserviert ist, arbeiteten bislang nur SPD, LINKE und Grüne. Mit einem Paritégesetz könnten alle Parteien dazu gezwungen werden. Das wäre einmalig in der Bundesrepublik, schwärmt Johlige. Die Grünen brachten einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag ein, und für die Pflicht, streng quotierte Listen aufzustellen, zeichne sich eine Mehrheit ab. Wenn die Männer in den Fraktionen von SPD, LINKE und Grüne mitziehen, werde es klappen. Die Frauen seien sich bereits einig, verrät Johlige. Es bliebe das Problem, der Direktkandidaten, da 44 der 88 Landtagssitze mit Wahlkreissiegern besetzt werden. Wenn hier überwiegend Männer gewinnen, wird es nichts mit der gerecht geteilten Macht im Landtag. Auch dafür haben die Grünen eine Lösung vorgeschlagen: Sie wollen die Zahl der Wahlkreise halbieren und Doppelkandidaturen einführen, so dass aus jedem Wahlkreis definitiv auch eine Frau ins Parlament gewählt wird. Doch daraus werde voraussichtlich nichts, bedauert Johlige. Die SPD wolle diese Doppelkandidaturen partout nicht.
Auch das wird ins Tschechische übersetzt. Zwei Frauen von der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens sind als Gäste gekommen. Die eine versteht Deutsch und flüstert der anderen ins Ohr, was gerade gesagt wird. In der Tschechischen Republik ist die Macht zwischen Männern und Frauen ebenfalls nicht aufgeteilt. Da passt die Losung gut, die Clara Zetkin alias Claudia von Gélieu an den Schluss ihrer Rede setzt: »Hoch die internationale Solidarität!«
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