Anträge zum Abschreiben

Die Linkspartei hat jetzt eine Landesarbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Es wäre für mich interessant zu wissen, was die Gemeindevertretung in Hoppegarten berät. Aber ich komme nicht dazu, mir das anzuschauen«, sagt Sven Kindervater. Er ist Linksfraktionschef in Neuenhagen bei Berlin. Hoppegarten ist der Nachbarort. Es gibt jetzt bei der brandenburgischen Linkspartei eine Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Kommunalpolitik. Ein Gedanke dabei ist, sich untereinander auszutauschen, sich gegenseitig zu helfen.

Kommunalpolitik sei kompliziert, werde aber von den Kreistagsabgeordneten, Stadtverordneten und Gemeindevertretern ehrenamtlich gemacht, erklärt Kindervater. Nach seiner Erfahrung sehen zwei Drittel der kommunalen Abgeordneten beim Haushalt nicht durch. Im Gegensatz zum alten Prinzip der Kameralistik in der Haushaltsführung sind die Ausgaben beim gültigen Prinzip der Doppik in verschiedenen Etatposten quasi versteckt, erläutert Kindervater. Wer beispielsweise als Gemeindevertreter wissen wolle, welche Mittel für das Bürgerhaus Neuenhagen erforderlich sind, der muss sich die einzelnen Kosten für Personal und Sachmittel und die Einnahmen durch Vermietung an Vereine oder Private erst einmal zusammensuchen und daraus die gesuchte Summe errechnen.

Fakten

Bei der Kommunalwahl 2014 hatte die LINKE 20,2 Prozent der für die Kreistage und die Stadtverordnetenversammlungen der vier kreisfreien Städte abgegebenen Stimmen erhalten. Das entsprach im Vergleich zur Kommunalwahl 2008 einem Minus von 4,5 Prozent.

Die CDU verbesserte sich bei der Kommunalwahl 2014 von 19,9 Prozent (2008) auf 24,8 Prozent, die SPD fiel von 25,8 auf 24,5 Prozent.

Die Wahlbeteiligung betrug 46,2 Prozent.

So schnitten andere Listen ab: Grüne 6,2 Prozent, FDP 4,0, AfD 3,9, Bauern 3,8, Freie Wähler 3,6, NPD 2,2, Piraten 0,5 Prozent.

Die nächste Kommunalwahl ist am 26. Mai 2019. af

In manchen Orten machen Gemeindevertreter bereits seit 25 Jahren Kommunalpolitik für die Sozialisten, und wenn mal ein Student zu ihnen gestoßen sei, dann war er nach dem Abschluss weg, berichtet Kindervater. In Neuenhagen habe man zwar etliche Parteilose gefunden, die sich nun in der Linksfraktion engagieren. Aber das sei längst nicht überall gelungen. Es sei prinzipiell nicht so leicht, geeignete Nachfolger zu finden. Es muss ein Wissenstransfer organisiert werden, auch über die Grenzen von Gemeinden und Landkreisen hinweg. Hier ist die Landesarbeitsgemeinschaft ebenfalls gefragt.

Zwar gibt es das parteinahe Kommunalpolitische Forum. Doch das kümmert sich um »die klassische Weiterbildung für Kommunalpolitiker mit linker Herzhälfte«. Auch für Parteilose gebe es die »Grundlagenbildung« des Forums. So formuliert es Margitta Mächtig, die im Landtag und im Kreistag Barnim sitzt und früher einmal Chefin des Kommunalpolitischen Forums war. Jetzt gehört sie wie Kindervater zum Sprecherrat der neuen Landesarbeitsgemeinschaft - und betont ausdrücklich, dass die LAG keine Konkurrenz zum Kommunalpolitischen Forum sein solle, sondern eine »wertvolle Ergänzung«. Die Arbeitsgemeinschaft werde sich mit der »Alltagsarbeit« der ehrenamtlichen Politiker befassen. »Wir wollten das mal über das Kommunalpolitische Forum mit absichern, aber das hat nicht funktioniert«, erklärt Mächtig.

Zur Gründungsversammlung am 18. August waren 30 Interessierte ins Potsdamer Lothar-Bisky-Haus gekommen. Mittlerweile gibt es 40 bis 50 Mitglieder, und es werden noch mehr, sagt Fritz Viertel. Der 26-Jährige ist Ortsparteichef von Schöneiche bei Berlin und wurde ebenfalls in den Sprecherrat gewählt. Die Mitgliederzahl ist allerdings im Moment gar nicht so entscheidend, auch wenn sie dafür ausschlaggebend ist, wie viele Delegierte die LAG zum Landesparteitag entsenden darf. Um vom Landesverband der Partei überhaupt als Landesarbeitsgemeinschaft anerkannt zu werden und eine kleine finanzielle Zuwendung zu erhalten, gibt es nämlich zwei Wege. Entweder man erreicht einen gewissen Prozentsatz der Gesamtmitgliederzahl oder man ist als Arbeitsgemeinschaft in mindestens der Hälfte der 17 Kreisverbände vertreten. Bereits bei der Gründungsversammlung im August waren Genossen aus neun Kreisverbänden an Bord. »Diese Hürde haben wir also sofort geknackt«, freut sich Fritz Viertel. Die rein formale Anerkennung durch den Landesverband sei zwar noch nicht erfolgt. Dies könne aber demnächst erledigt werden.

Neben der Landesarbeitsgemeinschaft besteht auch eine Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik. Mitmachen darf jeder, der sich für linke Kommunalpolitik interessiert. Die Mitglieder müssen weder Abgeordnete noch Genossen sein.

Zum Sprecherrat der LAG gehören auch nicht bloß der Bürgermeister von Wiesenburg, Marco Beckendorf, oder der Linksfraktionschef von Wustermark, Tobias Bank. In dieses Leitungsgremium ist zum Beispiel auch Claudia Sprengel gewählt, obwohl sie ihr Mandat in der Stadtverordnetenversammlung von Premnitz niedergelegt hat, als sie nach Brandenburg/Havel gezogen ist. Als eine ganz praktische Hilfe durch die Arbeitsgemeinschaft sieht sie die Möglichkeit, Anträge für die Kommunalparlamente untereinander auszutauschen. So muss der Stadtverordnete oder Gemeindevertreter nicht alles für sich neu erfinden, kann einen anderen linken Antrag beispielsweise zu Kitaplätzen oder zur Gleichstellungspolitik als Vorlage nehmen und muss ihn eventuell nur redaktionell an die Verhältnisse seiner Kommune anpassen.

»Linke Kommunalpolitiker müssen sich vernetzen«, findet auch Sven Kindervater aus Neuenhagen. Es muss nicht immer gleich ein Antrag sein, der übernommen wird. Manchmal genüge bereits ein Tipp. Wenn einem zum Beispiel der eigene Bürgermeister einreden wolle, »das geht nicht, das gibt es nicht«, und man könne ihm vorhalten, anderswo gebe es dies durchaus, dann habe man etwas gewonnen. Die Zusammenarbeit in der LAG soll jedoch nicht auf die kommunale Ebene beschränkt bleiben. Die Kompetenzen sollen auch auf Landesebene nutzen, beispielsweise ins Programm zur Landtagswahl am 1. September 2019 einfließen. Nach Ansicht von Kindervater sollte da ein Satz stehen: »Für die Kommunen ist Zuwanderung ein Geschenk.«

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