Gdansk statt Warschau

Bei den Lokalwahlen in Polen gewinnt die Rechtspartei Recht und Gerechtigkeit unerwartet klar

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein in der polnischen Journalistenzunft gängiges Sprichwort besagt, dass nichts weniger aktuell sei als die gestrige Zeitung. Dies mussten sich am Sonntagabend auch die Redakteure der Wochenzeitung »Newsweek« gedacht haben, die zwei Tage zuvor ihre aktuelle Ausgabe in den Druck schickten. Auf der Titelseite brillieren noch bis zum Wochenende die beiden Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters von Warschau: Rafał Trzaskowski von der bürgerlich-liberalen Bürgerplattform (PO) und Patryk Jaki von der rechten Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Am Freitag waren in der Tat fast alle Augen auf die Hauptstadt gerichtet, wo die beiden Kontrahenten kurz vor der obligatorischen Wahlruhe noch einmal energisch um die Gunst der Wähler buhlten. Nicht nur die »Newsweek« war vor ihrem Redaktionsschluss überzeugt, dass Trzaskowski und Jaki in die Stichwahl gehen. Doch dann ging es doch ganz schnell: Trotz erhöhter Agilität und dem besten Ergebnis eines rechten Politikers in Warschau seit dem Jahr 1989 konnte sich Jaki nicht gegen Trzaskowski durchsetzen und musste schon nach dem ersten Urnengang die Segel streichen. »Im Wahlkampf gelangte ich an meine Grenzen, mehr konnte ich nicht tun«, gab der stellvertretende Justizminister resigniert zu.

Am Sonntag waren über 30 Millionen Polen dazu aufgerufen, 16 Regionalparlamente, zahlreiche Stadträte sowie etwa 2500 Ortsvorsteher und Bürgermeister zu wählen. Nach ersten Auszählungen wurde die Vereinigte Rechte um Jarosław Kaczyński in 9 von 16 Woiwodschaften mit circa 33 Prozent stärkste Partei. Die oppositionelle »Bürgerkoalition« landete mit circa 27 Prozent auf Platz zwei.

Die die seit 2015 auf Landesebene regierende PiS war bisher lokal schwächer aufgestellt und regierte eigentlich nur im Karpatenvorland. Nun gewann sie erstmals auch in Niederschlesien. »Noch nie hat eine Partei seit 1989 ein so gutes Ergebnis bei Lokalwahlen erzielt«, freute sich »Präses« Kaczyński am Wahlabend.

Doch in den Großstädten hat sich an der miserablen Situation der PiS kaum etwas verändert und dies gilt nicht nur für Warschau. Neben Trzaskowski gewannen auf Anhieb auch die linksliberalen Kandidaten Jacek Jaśkowiak (Poznań), Jacek Sutryk (Wrocław) und Hanna Zdanowska (Łódź), die trotz (oder wegen) aller Hindernisse seitens der PiS mit 70 Prozent einen haushohen Sieg einfahren konnte. Ein ähnlich gutes Ergebnis erzielte in Rzeszów der linke Kandidat Tadeusz Ferenc.

PiS-nahe Medien zeigten sich enttäuscht. Die Resultate blieben hinter den Erwartungen zurück, bedauerte Tomasz Sakiewicz, Chefredakteur der »Gazeta Polska«. Und die Wochenschrift »Do Rzeczy« ironisierte: »Trotz des Sieges ist noch nichts verloren«. Ist doch auch in einigen Regionalparlamenten für die PiS noch nichts entschieden. Falls nämlich die Bauernpartei PSL, die unerwartet gut abgeschnitten hat, sich mit der PO und der liberalen Nowoczesna verbündet, verlieren die Konservativen jegliche Machtoptionen.

Es ist schon erstaunlich, dass die PiS nicht ein noch besseres Ergebnis erzielt hat. Schließlich hatte sie das ganze mediale Arsenal zur Verfügung und im Wahlkampf schwerste Geschütze aufgefahren. Die EU-Befürworter in den Großstädten scheinen aber dagegen immun zu sein.

Möglicherweise ist auch so der Erfolg der PiS-Kandidaten in Gdańsk und Kraków zu erklären. Mit ihrer ruhigen Art haben sich Kacper Płażyński und Małgorzata Wassermann in die Stichwahl gekämpft. Der 29-jährige Płażyński konnte sich in der pommerschen Bastion der »Bürgerkoalition« sogar gegen deren Kandidaten Jarosław Wałęsa durchsetzen und wird nun Anfang November gegen den umstrittenen Bürgermeister Paweł Adamowicz antreten. So richten sich alle Augen von Warschau nach Gdańsk, wo der Kampf für die Konservativen eigentlich bereits vor dem ersten Urnengang verloren schien. Und die polnische Leserschaft wartet mit Neugier auf die nächste Titelseite der »Newsweek«.

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