Sánchez allein im Parlament

Spaniens Regierungschef liegt über Kreuz mit seinem Bündnispartner Podemos

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Es kriselt mächtig zwischen der Linkspartei Podemos (Wir können es) und den spanischen Sozialdemokraten (PSOE). Zum Vorschein kamen die Widersprüche schon beim unterschiedlichen Umgang mit der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien. Offen aufgebrochen ist nun aber ein massiver Konflikt um Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. Massiv hat der Podemos-Chef Pablo Iglesias die Sozialdemokraten von Premier Pedro Sánchez kritisiert, weil sie das Regime in Riad weiter beliefern wollen. Zur Verteidigung »spanischer Interessen« und eines »strategischen Sektors«, so Sánchez. »Es dürfen sofort keine Waffen mehr an Saudi-Arabien verkauft werden«, erklärte ein genervter Iglesias am Mittwoch im Parlament in Madrid. Iglesias nennt das Land ein »kriminelles Regime«.

Sánchez fällt hinter die Position von Bundeskanzlerin Angel Merkel zurück, wie auch Iglesias meint, da bestehende Verträge nicht überprüft werden, womit auch ein gemeinsames europäisches Verhalten torpediert wird. Besonders geht es derzeit um den Bau von fünf Fregatten im Wert von 1,8 Milliarden Euro, an dem vor allem im armen Andalusien - eine Hochburg der PSOE, in der im Dezember Wahlen anstehen - 6000 Arbeitsplätze hängen.

Spanien ist viertgrößter Waffenlieferant der Saudis und will daran nichts ändern. Im September pfiff Sánchez seine Verteidigungsministerin Margarita Robles zurück. Robles plädierte wegen der saudischen Massaker in Jemen für den Stopp der Lieferung von 400 Präzisionsbomben. Nach Sánchez Intervention stimmten die PSOE-Parlamentarier jedoch gegen den Antrag katalanischer Parteien und Podemos auf Lieferstopp. Dass die PSOE den Antrag zusammen mit der rechten Volkspartei (PP) abgelehnt hat, schmerzt die linken Unterstützer von Sánchez besonders. Denn gemeinsam hatte man erst im Juni die PP-Regierung von Mariano Rajoy wegen deren Korruptionsskandale gestürzt.

Klar ist, dass es nun noch schwerer für Sánchez wird, eine Mehrheit für seinen Haushalt zu erhalten. Deshalb appellierte der Podemos-Chef an Sánchez, »mutige Schritte« zu gehen. Damit ist vor allem ein Schwenk in der Katalonienfrage gemeint. Zum Entsetzen der PSOE hatte sich Iglesias nicht nur im Gefängnis mit dem ehemaligen Vize-Präsidenten und Chef der Republikanischen Linken (ERC), Oriol Junqueras, getroffen, sondern auch noch 45 Minuten mit dem Exilpräsidenten Carles Puigdemont telefoniert. Puigdemont und Junqueras hatten klargestellt, dass sie angesichts der Rebellionsanklagen gegen katalanische Politiker ohne substanzielle Gesten keinen Haushalt unterstützen werden. Sie erwarten, dass das Ministerium für Staatsanwaltschaft die Anklage wegen Rebellion zurückzieht.

Derzeit spricht viel dafür, dass es bald zu vorgezogenen Wahlen in Spanien kommen wird. Die Spekulation, dass sie zusammen mit den Wahlen am 2. Dezember in der bevölkerungsreichsten Region Andalusien stattfinden, ist hinfällig, da das Parlament 54 Tage zuvor aufgelöst werden muss. Sánchez wird den Stimmungstest in Andalusien abwarten. Damit erklärt sich auch sein Verhalten in der Waffenfrage, da sich Sánchez vor den Wahlen in der südspanischen Region keine Arbeitskämpfe und keine Blöße gegenüber seiner innerparteilichen Gegenspielerin, der andalusischen Regierungschefin Susana Díaz leisten will. Zur Not wird er den Haushalt der rechten Vorgänger verlängern, um im nächsten Jahr gestärkt in einen Wahlkampf zu gehen, wenn es der PSOE erneut gelingt, Andalusien zu verteidigen. Für das Scheitern des Haushalts kann er die Katalanen als Sündenböcke vorführen. Diese Wahltaktik macht es aber seinen linken Unterstützern immer schwieriger, seine schwache Minderheitsregierung weiter zu tragen. Iglesias Geduldsfaden ist bereits gespannt.

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